KommunalFORUM „Nachhaltige Gewerbeflächen“: Das Projekt „Grün statt grau“
Fotos: Sandra Sieber, Pressestelle Stadt Marl, Heike Wegener - WILA Bonn
Wie Kommunen neue Wege der nachhaltigen Weiterentwicklung von Gewerbeflächen gehen, erklärt uns Dr. Anke Valentin, Geschäftsführerin des Wissenschaftsladens Bonn e.V. (WILA) und Leiterin des Projektes.
Frau Dr. Valentin, welche Vision verbirgt sich hinter dem Projekt „Grün statt grau – Gewerbegebiete im Wandel“? Welchen Beitrag zur kommunalen Nachhaltigen Entwicklung leistet es?
Gewerbeflächen machen durchaus einen beeindruckend großen Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche aus und verdienen daher eine besondere Aufmerksamkeit, wenn wir uns um nachhaltige Stadtentwicklung kümmern. Aufgrund des oft hohen Anteils zugebauter oder asphaltierter Areale sind sie besonders betroffen durch den Klimawandel. Schon so einfache Maßnahmen wie Entsiegelung sowie vertikale und horizontale Begrünung können da helfen und haben nicht nur positive Auswirkungen auf das Mikroklima, sondern erhöhen die biologische Vielfalt und verbessern nicht zuletzt die Aufenthaltsqualität.
Beteiligt am Projekt sind zehn Kommunen, darunter Remscheid, Marl und Iserlohn. Welche unterschiedlichen Schwerpunkte werden in den Kommunen gesetzt?
Mit unseren zehn beteiligten Kommunen sind eigentlich schon mehr an Bord, als wir ursprünglich geplant hatten, aber so ist natürlich der Austausch spannender. Sie haben nach drei Städten konkret gefragt:
Remscheid ist schon lange mit einer sehr engagierten Gebietsmanagerin dabei. Sie hat dort mithilfe der Firmen ein aktives Unternehmensnetzwerk im Gewerbegebiet Großhülsberg aufgebaut, das in Corona-Zeiten noch einmal einen ganz neuen Wert unter Beweis stellen konnte. Mit dem Netzwerk kann man gut komplexere Nachhaltigkeitsthemen angehen, wie die multifunktionale Nutzung von Flächen durch mehrere Unternehmen oder auch Themen der Beschaffung.
In Marl liegen die Herausforderungen ganz woanders. Im Gebiet Lenkerbeck beispielsweise darin, dass die Unternehmensstandorte und die Wohnbebauung stark miteinander verwachsen sind. Was aber auf den ersten Blick nach Konfliktpotenzial aussieht, konnte hier sehr schön zum Vorteil gewendet werden, weil durch das enge Band zwischen Wohnen und Arbeiten eine starke Verbundenheit mit dem Gebiet besteht. Wir konnten hier zum Beispiel außerschulische Lernorte einrichten, was für Gewerbegebiete ja eher unerwartet ist.
Nun noch zu Ihrer Frage nach Iserlohn: Die Stadt ist mit einem relativ großen Gebiet beteiligt und widmet sich verstärkt dem Thema Wassermanagement. Durch die Lage im Sauerland sicherlich ein Thema, das hier besonders im Fokus steht, aber zunehmend natürlich auch andere Landesteile betrifft, so dass ich hier schon auf den Austausch der Kommunen untereinander gespannt bin.
Kommunalverwaltung, Unternehmen und Wissenschaft arbeiten im Projekt transdisziplinär zusammen - was sind die Stärken und besonderen Herausforderungen einer solchen Zusammenarbeit?
Die Herausforderungen liegen ganz klar in den unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Zielen. Es klappt eigentlich nur dann, wenn sich die Wissenschaft in den Dienst der Anwendung stellt, so meine Erfahrung. Wenn das funktioniert, entstehen sehr schöne Synergien und die Kommunalvertreterinnen und -vertreter können sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse aus erster Hand berufen, die ihnen in der eigenen Stadt bzw. Gemeinde mehr Gehör verschaffen.
Bereits seit Mitte 2016 sammeln Sie mit dem Projekt Erfahrungen und Erkenntnisse: Welche Voraussetzungen müssen für die nachhaltige Weiterentwicklung von Gewerbeflächen in Kommunen gegeben sein?
Optimal ist es, wenn man die Unternehmen, die dort tätig sind, kennt und ansprechen kann. Denn auch das beste Nachhaltigkeitskonzept wird bei der nächstbesten Gelegenheit umgangen, wenn die Teilnehmenden es nicht mittragen.
Wirkt sich die Corona-Krise auf das Projekt aus und was hat sich ggf. dadurch verändert?
Wir müssen noch kreativer sein, aber eigentlich ist der Bedarf nach einer nachhaltigen Entwicklung von Gewerbeflächen unverändert. Vielleicht ist er sogar noch größer, weil durch die Netzwerke der Zusammenhalt der Unternehmen im Gebiet wächst. Auf unserer Website haben wir niedrigschwellige Maßnahmen für diejenigen Unternehmen zusammengestellt, die ihrer Belegschaft nachhaltig etwas Gutes tun wollen, aber durch Corona nicht mehr so große finanzielle Reserven haben.
Das Projekt läuft bis Ende 2021 – wie geht es danach weiter?
Einige beteiligte Kommunen werden ihre Gebietsmanagerinnen und Gebietsmanager weiter beschäftigen, wie beispielsweise die Stadt Frankfurt. Andere sind dabei, aus den Unternehmensnetzwerken Vereine zu entwickeln, die die Veränderungen selbst voranbringen. Wir hoffen natürlich auch, dass wir Wege finden, den kommunalen Austausch und das kommunale Netzwerk weiter finanzieren zu können. Es ist dann ja immerhin sechs Jahre alt und die Erfahrungen werden mehr und mehr.
Was möchten Sie interessierten Kommunen, die ihre Gewerbegebiete (im Bestand) nachhaltig gestalten möchten, abschließend mit auf den Weg geben?
Es lohnt sich! Wir stoßen auf so offene Ohren bei den Unternehmensverantwortlichen, dass wir unsere anfängliche Scheu und Skepsis komplett ablegen konnten.
Wichtig ist, dass das Gebietsmanagement nicht nur in einer Hand liegt, sondern dass die Ansprechperson bei der jeweiligen Kommunen gut verankert ist.
Frau Dr. Valentin, herzlichen Dank für diesen spannenden Einblick!
Weitere Informationen, Materialien für Kommunen und Unternehmen sowie Termine zum Projekt „Grün statt grau – Gewerbegebiete im Wandel“, das übrigens vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, finden Sie unter: www.gewerbegebiete-im-wandel.de . Interessierte Kommunen können sich gerne an hildegard.boisseree@wilabonn.de wenden.