KommunalFORUM „Mobilität“: Das Projekt „Verkehrsfläche neu verteilt: Fahrradstraße Friesenwall“
Vorher-Nachher-Bilder des Friesenwalls in Köln, Fotos: verenafotografiert
Wie die Stadt Köln mit der Neuverteilung von Verkehrsfläche neue Maßstäbe für Radfahrende und Menschen, die zu Fuß gehen setzt, erklärt uns Oliver Klaholz vom Amt für Straßen und Verkehrsentwicklung der Stadt Köln.
Herr Klaholz, um die Verkehrsfläche des Friesenwalls in Köln konkurrieren viele Menschen mit verschiedenen Nutzungsansprüchen. Die Fläche wurde schließlich zugunsten von Radfahrenden und zu Fuß Gehenden neu verteilt. Wie kam es dazu?
Als Grundlagen dienten das Strategiepapier „Köln mobil 2025“ und das Radverkehrskonzept für die Kölner Innenstadt. In Köln mobil wurde das verkehrspolitische Ziel ausgegeben, dass künftig zwei Drittel der Wege zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV zurückgelegt werden sollen. Um diese Ziele zu erreichen, beschloss die Politik in 2016 ein Radverkehrskonzept für die Kölner Innenstadt, das u.a. ein Fahrradstraßennetz enthält.
Der Friesenwall, eine für die Kölner Innenstadt typische Straße, ist Bestandteil dieses Fahrradstraßennetzes. Da die vorhandene Verkehrsflächenaufteilung den Fahrradstraßenstandards widersprach, wurde eine Neuverteilung der Verkehrsfläche erforderlich. Schnell wurde klar, dass die Umwandlung eines der beiden Längsparkstreifens (50 Kfz-Stellplätzen) zugunsten des Fuß- und Radverkehrs erforderlich ist.
Wie sieht der Friesenwall nach der Neuverteilung aus? Was verbirgt sich zum Beispiel hinter dem neuen „Multifunktionsstreifen“?
Radfahrende und zu Fußgehende haben seit der Umverteilung mehr Raum. Durch die breitere Fahrbahn können Radfahrende, wie in Fahrradstraßen üblich, bequem nebeneinander fahren. Darüber hinaus wurde die Fahrradstraße an den Kreuzungen bevorrechtigt, zuvor galt dort "rechts vor links".
Bei allen Verbesserungen für den Radverkehr wurden auch die Bedürfnisse von zu Fuß Gehenden beachtet und in die Umgestaltung einbezogen. So entstand durch die Umverteilung der Verkehrsfläche neben einer breiteren Fahrbahn ein sogenannter „Multifunktionsstreifen“, in den verschiedene Elemente integriert wurden (z.B. 120 neue Fahrradabstellplätze, Sitzbänke mit kombinierten Pflanzkübeln, Schilderpfosten oder Parkscheinautomaten). Durch das Versetzen in den Multifunktionsstreifen konnten die Gehwege entrümpelt und zugleich das illegale Parken physisch unterbunden werden.
Der Radverkehr auf dem Friesenwall hat sich nach der Neuverteilung in wenigen Monaten um 50 Prozent erhöht - welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die Radverkehrsplanung in der Kölner Innenstadt?
Unsere Erfahrungen zeigen, dass der Radverkehr nach der Umsetzung von Maßnahmen, insbesondere nach der Einrichtung von Fahrradstraßen, zunimmt. Dies zeigt sich auch an der Entwicklung des Radverkehrsanteils am gesamtstädtischen Verkehr. Die jüngste Modal-Split-Erhebung hat beispielsweise ergeben, dass der Radverkehr von 12 Prozent im Jahr 2008 auf 18 Prozent in 2017 zugenommen hat. Mit Blick auf die in Köln mobil 2025 definierten Ziele sind wir somit auf einem guten Weg und sehen uns darin bestärkt, das Radverkehrskonzept nach wie vor mit Hochdruck umzusetzen.
Vom Projekt Friesenwall mal abgesehen: Welche weiteren Maßnahmen sind für den Rad- und Fußverkehr in der Kölner Innenstadt geplant? Wirkt sich die Corona-Krise auf diese Planung aus?
Seit der Coronakrise haben wir über unsere Dauerzählstellen im Stadtgebiet einen massiven Rückgang des Kfz-Verkehrs bei gleichzeitiger Zunahme des Radverkehrs (im Vergleich zu den Vorjahreszeiträumen) festgestellt. Ob sich der Kfz-Verkehr aufgrund zunehmender Homeofficenutzer auf Dauer reduziert, bleibt abzuwarten. Dennoch verschärft die Corona-Krise den Handlungsdruck gewissermaßen zusätzlich, da der Raumbedarf für zu Fuß Gehende und Radfahrende in der dichtbebauten Kölner Innenstadt durch das Abstandsgebot zunimmt. Wir treiben unsere Planungen für dauerhafte Lösungen daher weiter voran.
Mit dem Mauritiuswall befindet sich beispielsweise der nächste Fahrradstraßenabschnitt in Vorbereitung. Auch dort soll die Verkehrsfläche noch in 2020 nach dem Vorbild des Friesenwalls umverteilt und ein Multifunktionsstreifen angelegt werden. Zahlreiche weitere Fahrradstraßen befinden sich ebenfalls in Vorbereitung.
Darüber hinaus werden wir weitere Kfz-Fahrspuren dauerhaft in Radfahrstreifen umwandeln und in diesem Zusammenhang auch die Knotenpunkte verkehrssicherer gestalten. In der Vergangenheit haben wir dies bereits auf der Ulrichgasse, der Cäcilienstraße oder den Kölner Ringen erfolgreich praktiziert. Dort sind beispielsweise die Konflikte zwischen Radfahrenden und zu Fußgehenden im Seitenraum massiv zurückgegangen. Des Weiteren konnte das Unfallgeschehen im Bereich des Kfz-Verkehrs durch die Herabsetzung des Tempos auf 30 Km/h reduziert werden.
Welche Voraussetzungen müssen zur Übertragbarkeit des Projektes in andere Kommunen gegeben sein?
Das ist schwer zu sagen. Eine fahrradfreundliche Politik und Stadtverwaltung, die den Willen und die Unterstützung aus der Bürgerschaft hat, die viel beschworene Verkehrswende einzuleiten, ist sicherlich hilfreich. Ebenso können die Umwelt- oder Fahrradverbände und lokale Akteure vor Ort positiv auf die Akzeptanz in der Bevölkerung einwirken.
Wie kann nachhaltige Mobilität über die verbesserte Infrastruktur hinaus gestärkt werden?
Über eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit oder Aktionen wie z.B. „Stadtradeln“. Auch unsere Aktion „Fahrradbeauftragter vor Ort“, bei der wir aktiv in die einzelnen Stadtteile kommen und über unsere Planungen und Maßnahmen informieren, ist in diesem Zusammenhang sehr erfolgreich.
Ihre Vision für 2030: Wie bewegen sich die Menschen in Köln 2030 fort?
Ich gehe davon aus, dass sich in Köln bereits im Jahr 2025 etwa zwei Drittel der Menschen im Umweltverbund, also zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV bewegen werden und wir somit die in Köln mobil 2025 definierten Ziele erreichen. Der Schienenverkehr wird weiterhin Rückgrat der Mobilität bleiben, ansonsten nähern sich Busverkehr und Individualverkehr beispielsweise durch On-Demand-Angebote und (teil-)automatisiertes Fahren einander an.
Der positive Trend in Bezug auf die Zunahme des Radverkehrs wird vor dem Hintergrund des fortschreitenden Ausbaus der Radverkehrsinfrastruktur auch bis 2030 und darüber hinaus anhalten.
Des Weiteren schaffen wir mit der Implementierung von Mobilstationen an Verknüpfungshaltestellen und in den Wohnvierteln, wo Angebote des Umweltverbunds gebündelt werden, immer mehr Alternativen zum Autobesitz.
Herr Klaholz, wir danken Ihnen für diesen spannenden Einblick!
Weitere Informationen zum Projekt „Fahrradstraße Friesenwall“, das übrigens mit dem 2. Platz des Deutschen Fahrradpreises 2020 ausgezeichnet wurde, finden Sie unter:
Deutscher Fahrradpreis – Jurymappe: www.der-deutsche-fahrradpreis.de/fileadmin/bfb_dateien/Download_2020/Nr_9.pdf
Köln mobil 2025: www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/pdf66/koeln-mobil-2025.pdf
Radverkehrskonzept Innenstadt: https://www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/verkehr/radfahren/radverkehrskonzept-innenstadt