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Wir sind LAG 21 NRW! Diesmal mit: Ullrich Sierau, Stadt Dortmund

Was bewegt die LAG-21-Mitglieder? Wie setzen sie sich für mehr Nachhaltige Entwicklung ein? Heute: Ullrich Sierau, Oberbürgermeister der Stadt Dortmund.

Herr Sierau, Dortmund ist 2014 zur „nachhaltigsten Großstadt Deutschlands“ gekürt worden. Was hat Dortmund, was andere Städte nicht haben? Welche Projekte sind nachahmenswert?

In Dortmund beziehen wir Zivilgesellschaft, Unternehmen und lokale Einrichtungen intensiv mit ein. Damit gelingt es, hohe Akzeptanz für den Nachhaltigkeitsgedanken zu schaffen. Mit der Aufstellung des Flächennutzungsplans 2004 konnte zudem die städtische Planung in Dortmund zum ersten Mal strategisch und zukunftsorientiert wirken.

Dazu gab es innovative Planungsinstrumente wie integrierte Stadtbezirksentwicklungskonzepte und Masterpläne, die zu den relevanten gesellschaftlichen und ökonomischen Themen Mobilität, Wohnen, Einzelhandel, Wirtschaftsflächen, Umwelt und später Wissenschaft, Integration und Energiewende in breiten Prozessen aufgestellt wurden. Weitere Aktionspläne und Handlungsprogramme - wie zum Beipsiel „Soziale Stadt“ oder das Dekadenprojekt „nordwärts“ – wirken in Dortmund einer sozialräumlichen Spaltung entgegen.

Wenn Sie aus Ihrem Bürofenster schauen, dann sehen Sie…

…den Friedensplatz, auf dem jeden Tag etwas anderes los ist. Eine große städtische Bühne!

Wo gibt es in Dortmund besondere Herausforderungen in Sachen Nachhaltiger Entwicklung?

Dortmund hat einen Strukturwandel zum Dienstleistungs-, Technologie- und Wissenschaftsstandort vollzogen. Die Dortmunder Bevölkerung ist wie anderswo im Ruhrgebiet gewachsen, wir haben wieder 600.000 Einwohner. Es gilt, weiterhin eine „gute Adresse“ zu sein, die Bevölkerung zu halten und die Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu integrieren.

Die wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen in Dortmund bringen Herausforderungen hinsichtlich der Sprachkompetenz von Kindern und Jugendlichen, den erreichten Bildungsabschlüssen sowie deren Qualität und Vernetzung. Allen Menschen muss der Zugang zu Bildung ermöglicht werden und die Vielfalt und Talente der BürgerInnen sind zu fördern.

Desweiteren fördern wir innovative Verkehrs- und Mobilitätskonzepte. Herausforderungen sind der Wechsel hin zu erneuerbaren Energieträgern, der Erhalt der biologischen Vielfalt sowie eine vernetzte Elektromobilität.

Um die kommunale Arbeit internationaler aufzustellen, sind im Amt des Oberbürgermeisters und des Rates die Bereiche Europa und Internationales mit dem Agenda-Büro zum „Büro für internationale Beziehungen und nachhaltige Entwicklung“ zusammengelegt worden. Durch die Zusammenführung der Themen Internationales, Europa, Agenda 21 und kommunale Entwicklungszusammenarbeit werden Ressourcen gebündelt und Synergien geschaffen.

Im Juni 2018 sind Sie erneut in den Vorstand des Städtetags Nordrhein-Westfalen gewählt worden. Wie wird das Thema Nachhaltige Entwicklung im Städtetag behandelt? An welchen Stellen müssen die Städte das Thema noch vertiefen?

Ein Megatrend unserer Zeit ist die Urbanisierung. Immer mehr Menschen ziehen in die Städte. Das zeigt, dass das Leben in der Stadt heute attraktiv ist, denn hier gibt es Angebote, die Sie anderswo nicht finden. Für die Städte bedeutet das, dass wir uns um den Ausbau und die Anpassung der Infrastrukturangebote wie zum Beispiel Kita oder Altenpflege kümmern müssen.

Wir müssen uns aber genauso um die Entwicklung unserer Stadtgesellschaften kümmern. Wir wollen keine Parallelgesellschaften, wir müssen Ausgrenzungen vermeiden, jeder soll grundsätzlich an allem teilhaben können. Es geht um den Zusammenhalt in der Stadt und in den Quartieren.

Das Thema „Klimafolgenanpassung“ ist gerade in den Städten eine besondere Herausforderung: für die Folgen von Hochwasser und Hitzewellen müssen wir uns passende Lösungen überlegen. Es wird unumgänglich sein, sich darauf einzustellen und entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Hier im nördlichen Ruhrgebiet, zwischen Dortmund und Duisburg, dient die Renaturierung der Emscher zum einen der Modernisierung der Abwasserinfrastruktur in der Region und zum anderen der Schaffung neuer, qualitätsvoller Grünstreifen und Naherholungsbereiche für die anliegenden Städte. Es ist letztlich günstiger, sich frühzeitig auf die Folgen des Klimawandels einzustellen und entsprechend zu planen, als später die Folgenbeseitigung bezahlen zu müssen.

Zukunftsfähige Mobilität ist ein wichtiges Thema für Kommunen. Deshalb hat die LAG 21 NRW am 26. September zur Veranstaltung „Nachhaltigkeit kommunal gestalten!“ in Dortmund eingeladen, an der Sie auch teilgenommen haben. Wie muss nachhaltige Mobilität in Ihren Augen aussehen?

Nachhaltige Mobilität muss zunächst allen Menschen unabhängig von Alter, Beeinträchtigungen und Behinderungen, sozialem oder wirtschaftlichem Status, Herkunft oder Geschlecht die Teilhabe ermöglichen. Darüber hinaus ist eine nachhaltige Mobilität emissionsfrei oder -arm, das heißt, die Dortmunder und Dortmunderinnen sowie die Gäste der Stadt können sich störungsfrei und gut vernetzt mit Bus und Bahn, sicher und schnell mit dem Rad und dem E-Bike, lautlos mit dem E-Fahrzeug oder auf attraktiven Wegen zu Fuß durch die Stadt bewegen.

Sie sind aktiv im Oberbürgermeister-Dialog Chefsache Nachhaltigkeit, der von der LAG 21 NRW organisiert wird. Dabei geht es um die Fortentwicklung und Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie für Nordrhein-Westfalen. Wie bringen sich die Kommunen dabei ein?

Kommunen bringen ihre eigenen spezifischen Erfahrungen und Perspektiven in den Entwicklungsprozess mit ein. Vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung und Umsetzung der Strategie muss dieser Dialog fortgesetzt werden. Kommunen sind bislang bei den Fachforen, Workshops und Veranstaltungen mit ihrer Expertise gefragt worden, das muss auch weiterhin so bleiben.

Klimaschutz zum Beispiel kann nur im Schulterschluss mit der Landesregierung erfolgreich sein, genauso wie Strategien für eine nachhaltige Mobilität und energieeffizienten Wohnungsbau für alle gesellschaftlichen Gruppen. In allen Bereichen brauchen wir die Zusammenarbeit der Verwaltungsebenen. Zudem: Im Pilotprojekt Global Nachhaltige Kommune (GNK) haben wir zusammen mit weiteren 14 Städten und Kreisen modellhaft erarbeitet, wie die UN-Nachhaltigkeitsziele, die sogenannten SDGs, auf der kommunalen Ebene umgesetzt und sichtbar gemacht werden können.

Neben der „Chefsache Nachhaltigkeit“ war und ist Dortmund bei vielen Projekten der LAG 21 NRW aktiv, darunter das von Ihnen genannte Projekt Global Nachhaltige Kommune (GNK). Was konnten Sie daraus mitnehmen?

Dieser Prozess war sehr erfolgreich und wir können das anderen Städten nur empfehlen. Wir müssen uns nicht nur Gedanken über die Zukunft machen, sondern permanent Entscheidungen fällen, die für die künftigen Generationen Bestand haben sollen. Das Projekt GNK hat uns aufgezeigt, wie wertvoll und notwendig die Vernetzung der verschiedenen Pläne, Strategien und Leitlinien untereinander und die Einbeziehung bürgerschaftlichen Engagements ist.

Die vorliegende umfangreiche Bestandsaufnahme ermöglicht einen konzentrierten Überblick über die Aktivitäten der Fachbereiche und der Zivilgesellschaft. Sie wird zur Nachhaltigkeitsstrategie und zu einer kontinuierlichen Nachhaltigkeitsberichterstattung weiter entwickelt. Die vom Deutschen Städtetag empfohlenen „SDG-Indikatoren für Kommunen“ können dabei eine wertvolle Unterstützung für ein kommunales Monitoring sein. Die UN-Nachhaltigkeitsziele können so auf der kommunalen Ebene sichtbar und nachvollziehbarer dargestellt werden.

Wie profitiert Dortmund noch von der Mitgliedschaft bei der LAG 21 NRW?

Dortmund hat durch die langjährig gute Zusammenarbeit mit der LAG 21 NRW von den Ergebnissen aus Wissenschaft und Forschung sowie von der professionellen Betreuung profitiert. Gemeinsame Projekte wie zum Beispiel GNK und die gute Vernetzung mit anderen Kommunen und Initiativen haben die Dortmunder Nachhaltigkeitsarbeit entscheidend voran gebracht. Nur einige wenige Beispiele:

- Mit der „21 Haushalte-Kampagne“ 2001-2002 wurde das erste gemeinsame Großprojekt mit der LAG 21 NRW durchgeführt. Hier erfuhren Privatpersonen, wie ein nachhaltigerer Lebensstil gelingen kann.

- Mit Dortmunder Schulen wurden gemeinsame Planspiele erprobt. Wie zum Beispiel das Planspiel Südsicht, bei dem die jungen Menschen die unterschiedlichen politischen Sichtweisen der Länder durchgespielt haben.

- Auch durch die Mitarbeit im Dortmunder Netzwerk „Schule der Zukunft“ und in der Jury zum Agenda-Siegel hat Dortmund von den Erfahrungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitiert.

Wie leben Sie Nachhaltigkeit im Alltag?

Ich fahre mit dem Fahrrad zur Arbeit, nehme Termine zu Fuß oder mit dem E-Bike wahr. Zudem trage ich fair gehandelte Kleidung.

Welches der 17 Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) ist Ihnen persönlich wichtig und warum?

Es gibt mehrere Ziele, die mir persönlich sehr am Herzen liegen.

Da wäre zum einen das Thema „Wasser“. SDG 6 und SDG 14 thematisieren den Schutz der Wasserökosysteme. Während sich SDG 6 auf die Binnengewässer konzentriert, widmet sich SDG 14 vorwiegend dem Erhalt und Schutz der Ozeane. Für eine Kommune bedeutet das, sich um die Bereitstellung von Trinkwasser, um die Wasserqualität, um eine effiziente Wassernutzung bis hin zu einem integrierten Wassermanagement zu kümmern.

Auch für den Schutz der Meere (SDG 14) können wir viel tun, indem wir die Binnengewässer sauber halten. Mit dem Emscherumbau beispielsweise verbessern wir auf 350 Gewässerkilometern nicht nur die Wasserqualität, sondern auch das Wohnumfeld der gesamten Region.

Das zweite Ziel dreht sich um das Thema „Wohnen“. Das Ziel 11 „Nachhaltige Städte und Gemeinden“ fokussiert unter anderem den Zugang zu angemessenem, sicherem und bezahlbarem Wohnraum für alle Menschen. Als wachsende Stadt brauchen wir weiterhin bezahlbaren Wohnraum. Auch das Interesse an neuen Lebens- und Wohnformen steigt, gemeinschaftliche Wohnprojekte werden in verschiedenen Quartieren umgesetzt. Dazu zählen zum Beispiel das Mehrgenerationenwohnen, das Wohnen mit Freunden, ökologisches Wohnen oder inklusives Wohnen.

Als Drittes möchte ich das Themenfeld Globale Verantwortung und Eine Welt hervorheben. Die meisten Bezüge gibt es hier zum SDG 17 „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“.  Für die kommunale Ebene sind das Kooperationen für einen gegenseitigen Wissenstransfer, den Ausbau von Multi-Akteurs-Partnerschaften und globale Partnerschaften, also genau das, was wir mit der der Unterstützung hier arbeitender Initiativen bewirken wollen und mit dem Transfer kommunalen Know-hows in künftigen Projektpartnerschaften.

Ihr nächster Termin?

Ins Büro und dann am Abend ins Stadion zum Heimspiel von Borussia Dortmund.

Herr Sierau, wir danken Ihnen für die Antworten!

Die Fragen stellte die LAG-21-Pressestelle.

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