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SOS EU - rettet die Bienen und Bauern! - So war die Veranstaltung zur EU-Agrarpolitik

Die Diskutant*innen während des N-Denk_mals zur EU-Agrarpolitik in Münster. / Foto: Marie Heitfeld, Germanwatch

Fördert die EU-Agrarpolitik tatsächlich eine umwelt- und klimafreundliche, das Tierwohl achtende Landwirtschaft? So, wie es die Globalen Nachhaltigkeitsziele und die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie einfordern? Darüber haben wir mit Agrarexpert*innen am 16. Mai in Münster diskutiert. Veranstalterin war die Regionale Netzstelle Nachhaltigkeitsstrategien West (RENN.west).

Den meisten Menschen ist bekannt, dass die Europäische Union eine zentrale Rolle in der Agrarpolitik spielt. Wie genau die sogenannte Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) zukünftig aussehen muss, um die Landwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit zu gestalten, ist eine der wichtigsten Fragen. RENN.west hatte interessierte Bürger*innen und Aktive zu einer Diskussion mit Vertreter*innen aus Politik und Zivilgesellschaft über genau dieses politisch brisante Thema am 16. Mai nach Münster eingeladen.

Nach der Begrüßung durch Bürgermeister Gerhard Joksch führte Ulrich Jasper, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), mit einem Impulsvortrag in das Thema ein. Er schilderte die vielfältigen Herausforderungen an die Agrarpolitik. Zudem zeigte Jasper auf, welche Ziele in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie drohen, verfehlt zu werden. Dazu zählen etwa der Artenschutz oder der Stickstoffüberschuss. Jasper stellte auch den aktuellen Diskussionsstand der anstehenden GAP-Reform und die Forderungen der AbL vor.

Das Höfesterben ist eine große Herausforderung

In der Diskussionsrunde stellten sich Jasper und fünf weitere Expert*innen zunächst den Fragen des Moderators Dr. Klaus Reuter, Geschäftsführer der LAG 21 NRW und Konsortialführer von RENN.west. Anschließend konnte das Publikum Fragen stellen.

Eine allgegenwärtige Herausforderung in der Landwirtschaft ist das Höfesterben. Ulrich Jasper sieht die Verantwortung dafür unter anderem in der Verteilung der EU-Agrargelder: 1 Prozent der Betriebe bekommt über 20 Prozent der Gelder, die als Direktzahlungen ohne weitere Bedingungen nur entsprechend der bewirtschafteten Flächen (pro Hektar) ausgeschüttet werden.

Sarah Schulte-Döinghaus, Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung, teilte diese Kritik: Die Jugend auf dem Land sei sich der Dringlichkeit bewusst, das System der Direktzahlungen zu reformieren. Stattdessen gelte es Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein nachhaltiges Verhalten in der Landwirtschaft fördern.

Wie lässt sich der Artenschwund stoppen?

Ähnlich dramatisch wie das Höfesterben entwickelt sich parallel dazu das Artensterben. Und da die Landwirtschaft auch direkt vom Klimawandel betroffen ist, sind agrarpolitische Maßnahmen notwendig, um darauf zu reagieren. Martin Häusling, Mitglied des Europäischen Parlaments und agrarpolitischer Sprecher der Grünen/EFA, unterstrich, dass die Ziele der Agrarpolitik dementsprechend direkt an die Klimaziele und den Erhalt der Biodiversität gebunden sein sollten. Ulrich Jasper und Agnes Becker, Initiatorin des Volksbegehrens „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ in Bayern und stellvertretende Vorsitzende der ÖDP Bayern, sind sich darin einig, dass eine Umverteilung der Gelder stattfinden muss, um Verhalten zu belohnen, das Artenvielfalt fördert.

Martin Häusling hob noch mal deutlich hervor, dass es trotz all dieser Zusammenhänge immer noch viele Menschen gebe, sowohl in der deutschen Politik als auch im Europaparlament, die diese Dringlichkeit für große Veränderungen nicht sehen.

Obergrenze mehr für die Flächenversigelung thematisiert

Dr. Jörn Krämer, Umweltreferent des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, und Jochen Ritter, Mitglied des Landtags NRW (CDU) und im Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, stimmen darin überein, dass langfristige Rahmenbedingungen geschaffen werden müssten, um verlässlich und zukunftsorientiert wirtschaften zu können. Dabei stünden insbesondere die Existenzsicherung und die Verlässlichkeit an erster Stelle. Während Dr. Krämer vor allem dafür plädierte, sich an den Bedürfnissen der Landwirt*innen zu orientieren, vertrat Jochen Ritter die Meinung, dass die hohen Direktzahlungen ohne Lenkungswirkung unbedingt gehalten werden müssten, außerdem unterstützt er den Wegfall einer Obergrenze für Flächenversiegelung in NRW von 5 ha/Tag im Landesentwicklungsplan NRW.

Sarah Schulte-Döinghaus betonte, dass insbesondere die jungen Landwirt*innen in den Prozess der Veränderung mit einbezogen werden müssten, um verlässliche langfristige Lösungen zu finden. Das gestalte sich allerdings schwierig, da die oft verallgemeinernde Aussage, die Landwirtschaft sei für das Artensterben verantwortlich, zu fehlender Akzeptanz der Landwirt*innen in der Gesellschaft führe.

Bürgerinitiative vs. Grundlagenforschung

Agnes Becker ist davon überzeugt, dass Veränderung nur durch eine breite Bewegung von unten geschehen kann, wie zum Beispiel mit der nun startenden europäischen Bürgerinitiative „Rettet die Bienen“. Jochen Ritter hingegen hält eine Bürgerinitiative nicht unbedingt für den richtigen Weg und setzt auf mehr Grundlagenforschung statt übereilten Aktionismus. Er ist außerdem davon überzeugt, dass in der Bevölkerung keine Bereitschaft vorhanden sei, für Nachhaltigkeit mehr eigenes Geld auszugeben.

Martin Häusling und Agnes Becker argumentierten, dass genau dieser Schritt bereits passiert sei. Das Volksbegehren Artenvielfalt in Bayern habe gezeigt, in welche Richtung sich die Bevölkerung orientieren möchte und dass die Gesellschaft bereit sei, mehr für nachhaltigere Produkte zu zahlen. Statt weiter Geld in Forschung zu investieren, könnten damit längst Umweltmaßnahmen finanziert werden. Auch sei es Rolle der Politik, Rahmenbedingungen für mehr Nachhaltigkeit zu setzen.

Die lebhafte Diskussion verdeutlichte, wie dringlich angesichts von Artenverlust, Klimakrise und Höfesterben Veränderungen in der GAP notwendig sind – aber wie schwierig es letztlich im Geflecht der unterschiedlichen Interessenslagen ist, wirklich voranzukommen. Es führt nicht weiter, wenn alle in ihren festgefahrenen Positionen verharren. Dass die Herausforderungen groß sind, ist allen bewusst. Und dementsprechend sollten Veränderungen auch bereits auf kommunaler und Landesebene angeschoben werden, und sich gleichzeitig für eine ambitionierte Reform der – vermutlich erst im Jahr 2023 kommenden – Reform der GAP einsetzen.

Artikel: Verena Nitschke & Daniela Baum, Germanwatch

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