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Die richtigen Mittel finden: Diskussionen über Nachhaltigkeitspolitik in NRW zwischen Einsicht, Strategie und Ordnungsrahmen

Referierende des Tages | Foto: Martin Magunia / RENN.west
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur | Foto: Martin Magunia/RENN.west

 

Mit Impulsen aus Landespolitik und Zivilgesellschaft wurde auf der jüngsten Fachveranstaltung von RENN.west und LAG 21 NRW über Nachhaltigkeitspolitik in NRW zwischen Einsicht, Strategie und Ordnungsrahmen diskutiert. Wichtige Positionen und spannende Einblicke erhalten Sie in diesem Rückblick.

Während draußen das Wetter zwischen heiterem Sonnenschein und strömendem Regen wechselte, changierte auch die Stimmungslage im Essener Chorforum am 24. März 2023 bezüglich der aktuellen Nachhaltigkeitspolitik in NRW zwischen tatkräftigem Optimismus und dezidierter Kritik. Im Zusammenspiel sorgte dies für einen fruchtbaren Austausch mit viel Denkfutter für die Teilnehmenden.

Zur Eröffnung gab Dr. Klaus Reuter, Konsortialführer der RENN.west und Geschäftsführer der LAG 21 NRW, zu bedenken, dass Nachhaltigkeit nicht immer nur als Aufgabe der Politik gesehen werden sollte. Nachhaltigkeit sei Gemeinschaftswerk – und das gemeinsame Handeln nicht mehr aufschiebbar. Eine Einsicht, die auch Stefan Kuczera, Beigeordneter für den Bereich Planung des Regionalverbandes Ruhr, teilte: „Die Metropolregion Ruhr drückt bei der Transformation nicht mehr auf die Snooze-Taste!“

 

Aufgaben und Schritte der Landespolitik

 

Fotos: Martin Magunia / RENN.west

Einen Impuls aus Perspektive der aktuellen NRW-Landesregierung gab NRW-Wirtschaftsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur. Als klare Aufgabe für die Landespolitik zwischen multiplen, globalen Krisen formulierte sie den Anspruch, kein „Weiter wie bisher“-Denken zu unterstützen. „Wir müssen vom Wissen zum Handeln kommen und dazu gehört, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.“    

Dazu sei es wichtig, sich über Lager hinweg die Hände zu reichen, in Spannungsfelder reinzugehen und nicht zerrissen zu werden. „Sondern über die Kraft der Diskurse und Fakten dahin zu kommen, dass wir im Tun beweisen, was wir in Verantwortung für zukünftige Generationen jetzt liefern müssen. Wir sind noch lange nicht fertig, aber wir sind mittendrin, statt nur dabei“, so Neubaur.

Als konkrete Umsetzungsschritte benannte Neubaur u.a. eine ambitionierte und mit starker Beteiligung durchgeführte Fortschreibung der NRW-Nachhaltigkeitsstrategie. Die Weiterentwicklung solle das Handeln messbarer machen. Für ihren Verantwortungsbereich unterstrich die Wirtschaftsministerin das Ziel, ökonomische Ziele und Ressourcenverbrauch im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu entkoppeln und entlang von Zahlen den Beweis anzutreten, dass nachhaltiges Wirtschaften ein erfolgreiches Geschäftsmodell ist. Als Anspruch formulierte sie, Nachhaltigkeit im Selbstverständnis der Gesellschaft in NRW zu verankern und so den Weg zu ebnen, Europas erste nachhaltige Industrieregion zu werden.

 

Impulse aus der Zivilgesellschaft

 

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur | Foto: Martin Magunia/RENN.west

Vier Impulse aus zivilgesellschaftlichen Organisationen eröffneten weitere Perspektiven auf die aktuelle Nachhaltigkeitspolitik im Land.

Michael Kuhndt, Geschäftsführer des Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production, sprach dazu über nötigen Wandel und das Überwinden von Silodenken in Industrie und Unternehmen, denn: „Die Geschäftsmodelle von heute werden morgen nicht mehr funktionieren.“ Als Brücke zur Politik diente der Vergleich von Unternehmen, die Nachhaltigkeit zur Kerngeschäftsstrategie gemacht haben – ein Schritt, den auch die Landespolitik machen könne.

Mona Rybicki (Teamleiterin Netzwerke bei der LAG 21 NRW) gab Einschätzungen zu strategischen und strukturellen Prozessen zur Stärkung von Nachhaltigkeit in NRW. Konkrete Empfehlungen an die Landespolitik beinhalteten z.B. die Etablierung der NRW-Nachhaltigkeitsstrategie als Dachstrategie für alle Ministerien, die zudem mit Nachhaltigkeitsbeauftragten ausgestattet werden, oder die Ambitionssteigerung im Bereich der Indikatorik sowie eine Qualitätssicherung durch Peer-Review-Verfahren. Auch die Verknüpfung von Nachhaltigkeitszielen mit dem Landeshaushalt sowie die Verankerung von Nachhaltiger Entwicklung als Staatsziel in der Landesverfassung wurden benannt.

Über die globale Verantwortung NRWs sprach Manfred Belle, Fachpromoter im Eine Welt Netz NRW. Er benannte als zentralen Indikator für Nachhaltigkeit, wie gut es gelinge in den Lieferketten, die nach NRW führen, die Sorgfaltspflicht für Menschenrechte und Umwelt einzuhalten.

Die Landesvorsitzende des NABU NRW, Dr. Heide Naderer, gab indes kritische Einblicke in den Strukturwandelprozess im Rheinischen Revier. Ihre Forderung: „Bei der Gestaltung des Strukturwandels brauchen wir mehr Wissen in den Stadtspitzen, bessere Klärung von Zuständigkeiten und stärkere Zusammenarbeit von Sektoren.“ Zudem sollten Fördermittel an starke Nachhaltigkeitskriterien geknüpft werden.

Von oben rechts: M. Kuhndt, Dr. H. Naderer, M. Rybicki und M. Belle

 

Podiumsdiskussion über Einsicht, Strategie und Ordnungsrahmen

 

In der abschließenden Podiumsdiskussion wurde eingangs festgehalten, dass die Einsicht für die Notwendigkeit nachhaltigen Handelns da sei, aber zu oft noch nicht in konkretes Handeln übersetzt würde.

Die Diskrepanz zwischen Beschlüssen und Umsetzung sprach Viktor Haase, Staatssekretär im NRW-Umweltministerium, an: „Weil es bislang nicht gelungen ist, dass Abstrakte ins Konkrete zu übersetzen und die Angst vor Bürokratie zu nehmen.“

Mehrfach wurde deutlich, dass im Bereich Nachhaltigkeit Interessenkonflikte bestehen, die zielorientiert ausgehandelt werden müssen. Dr. Marc-Oliver Pahl, Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung, bemängelte dazu das Fehlen eines gemeinsamen Fundaments als Ausgangsbasis.

Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge, Direktorin des German Institute of Development and Sustainability, lenkte den Blick auf die Vorreiterrolle Deutschlands beim Klimaschutz. „Wenn wir nicht mit gutem Beispiel voranschreiten, können wir dies nicht von Schwellenländern verlangen. Und wenn wir die Umsetzung hier nicht schaffen, gibt es eine ganze Reihe weiterer Krisen, die uns einholen werden.“

Die Interessenkonflikte bei der Energiewende benannte Prof. Dr. Wolfgang Köck vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung. Hier sei die Ressource Land ausschlaggebend, die auch für Themen wie Biodiversität oder Wohnen hohe Relevanz habe.

Von links: Prof. Dr. Hornidge, Staatsekretär Haase, Moderatorin Tanja Busse, Prof. Dr. Köck und Dr. Pahl

Ein weiterer wichtiger Punkt in der Diskussion waren Möglichkeiten für eine wirkungsvolle Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategien auf Landes- und Bundesebene. Dr. Pahl benannte dazu die Verknüpfung von Zielen mit dem Haushalt, stärkere Wirkungsorientierung und -messung sowie Spill-Over-Effekte. Auch Prof. Dr. Hornidge bezeichnete Finanzen sowie Governance als wichtige Hebel und setzte sich überdies für eine Stärkung von Zivilgesellschaft und Jugendbeteiligung ein. Prof. Dr. Köck forderte, als notwendig erkannte Ziele klar zu benennen, zu quantifizieren, zu terminieren und diese mit Zwischenzielen zu versehen.

Zuletzt wurde die Frage nach einem stärkeren Ordnungsrahmen diskutiert. Prof. Dr. Hornidge verwies darauf, dass Regulierung über den Ordnungsrahmen eines von vielen Instrumenten sein könne. Mit Leben gefüllt werden könne dies durch politischen Willen und Mobilisierung, so Dr. Pahl. Prof. Dr. Köck forderte zudem stärkere Förderungen: „Zumutbarkeit braucht Zeit - und wenn man diese Zeit nicht hat, muss man dies mit Fördermitteln flankieren.“ Er sprach sich für ein Politikplanungsrecht sowie Nachhaltigkeitschecks als Gesetzesfolgenabschätzung aus.

 

Kein Einsichts- sondern ein Umsetzungsproblem

 

In seinen Abschlussworten verdeutlichte Dr. Martin Klug von der Verbraucherzentrale NRW, dass die Einsicht für die Notwendigkeit nachhaltigen Handelns da sei, es im Konkreten aber oftmals schwierig werde. Deshalb brauche es Anreize, ohne zu überfordern, Kooperation und die Schaffung von Synergien, neue Wege und Kreativität, um den Rückhalt für Nachhaltigkeit zu stärken.

Das Chorforum Essen | Foto: Lukas Vering

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