RENN.west-Länderforum: Intensiver Austausch zu Klima- und Energiekrise
Aus NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und darüber hinaus reisten Expert*innen aus Verwaltung, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft am 15. Juni 2022 zum RENN.west-Länderforum nach Bonn. Im Mittelpunkt stand der Transformationsbereich Klimaschutz & Energiewende der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie – und somit die Frage, wie Energiewende gesellschaftlich, wirtschaftlich und ökologisch verträglich gelingen kann.
Diskutiert wurden die aktuellen Entwicklungen auf dem Weg zu einer klimagerechten Energiesicherheit, und insbesondere die Auswirkungen der Ukraine-Krieg auf die Pläne der neuen Bundesregierung. Mehr denn je geraten aktuell ökologische, wirtschaftliche und soziale Fragen in Zielkonflikte. Der neue Kontext bei Energie- und Ernährungsdebatten gefährdet zudem die angestrebte Klima- und Artenschutzpolitik Deutschlands sowie den Europäischen Green Deal.
Synergien zwischen Biodiversitätserhalt und Klimaschutz nutzen
In einer Keynote zur grundlegenden Relevanz einer Entwicklung „in Harmonie mit der Natur“ setzte Prof. Dr. Josef Settele den Akzent auf die Verflechtungen zwischen Klimaschutz und Biodiversitätserhalt. Man sei bei der Erarbeitung von Lösungen auf die Wechselwirkungen zwischen beiden Krisen angewiesen, so der Leiter des Department Naturschutzforschung am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU). Als Mitautor des ersten gemeinsamen Workshop-Berichts des Weltklimarates IPCC und des Weltbiodiversitätsrates IPBES verwies er auf die Notwendigkeit eines integrierten Ansatzes bei der Bekämpfung der beiden globalen Krisen. Das Nutzen von Synergien sei notwendig, um den Herausforderungen gerecht zu werden und die Energiewende so zu gestalten, dass die Maßnahmen zum Klimaschutz keine kontraproduktiven Effekte erzeugen. An der Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft erklärte Settele, dass die Kooperation zwischen Ministerien und die öffentlichen Regierungsaufträge zum Voranbringen einer Energiewende im Einklang mit der Natur entscheidend seien.
Lebensräume wiederherstellen, Flächen umwidmen und priorisieren
Zum Erhalt der Biodiversität sei die Wiederherstellung von Lebensräumen und deren Konnektivität eine Priorität, die auf allen Ebenen mitgetragen werden sollte, so Settele. Die Rolle der Landnutzung und der naturbasierten Lösungen könne auf lokaler Ebene eine entscheidende Rolle spielen, wie in etwa Schutz oder Wiederherstellung von CO²-Speichern (Wälder, Mooren, usw.) oder aber das sich häufig eher negativ zu bewertende Anpflanzen von Bioenergiepflanzen. Nicht nur bei der Frage der Energieproduktion seien die Kommunen und Länder wichtige Akteurinnen, auch zum Thema „Planetary Health“ könne die lokale Umgebung eine zentrale Rolle spielen. Eine unterstützende regionale Gesetzgebung könne dabei entscheidend sein, um beispielsweise die Umwidmung von Flächen zu ermöglichen. Wichtig sei aber dabei, die lokalen Gegebenheiten jeweils in den Blick zu nehmen und das vorhandene Wissen anzupassen und zu kontextualisieren.
„Ein neues Schutzparadigma müsste die Umsetzung der drei wichtigen Ziele – ein ausgewogenes Klima, eine sich selbst erhaltende biologische Vielfalt und gute Lebensbedingungen für alle – gleichzeitig in Angriff nehmen.“
Kernbotschaft aus dem gemeinsamen IPCC-IPBES Workshop Bericht zu Biodiversität und Klimawandel (2021)
Mit der Frage des Preises der notwendigen Maßnahmen und deren sozialen Verträglichkeit befassten sich die Teilnehmenden später am Nachmittag. Auch die Akzeptanz der Gesetzgebung sei ein zentraler Aspekt: Zwar solle sie Ziele setzen, doch ohne Unterstützung der Bevölkerung seien diese nicht umsetzbar. Daher seien Kommunikation und Partizipation bei der Erarbeitung von Lösungen unabdingbar und eine Früheinbindung der vertretenden Gruppen in allen Prozessen notwendig. Zudem müsste eine Priorisierung der indirekten Treiber von Biodiversitätsverlust erfolgen, so Settele, denn sie seien die wesentlichen zugrundeliegenden Ursachen der direkten Treiber – darunter der Klimawandel, in dritter Position. Unter indirekten Treibern versteht man Werte und Verhalten, die sich im Wesentlichen vier Kategorien zuordnen lassen: Soziokultur, Wirtschaft, Gesetzgebung, Konflikte und Epidemien.
Emissionen verhindern, einsparen, kompensieren
In seiner Keynote „Energiewende und Klimaschutz - Mit welchen Maßnahmen auf Veränderungen reagieren?“ ging Philipp Heilmaier, Bereichsleiter Zukunft der Energieversorgung der Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) auf die Frage der Emissionseinsparungen ein. Sie stünde in direkter Verbindung mit der Frage des Biodiversitätserhalts, so Heilmaier, denn als einer der Haupttreiber von Biodiversitätsverlust sei der Klimaschutz und daher die Reduzierung von CO²-Emissionen prioritär anzugehen: allein sie sind zu 80% für den Klimawandel verantwortlich.
Zur Erläuterung des Weges hin zur Umsetzung dieses Vorhabens nannte Heilmaier fünf Strategien, die gerade national angestrebt werden: weniger Energie verbrauchen, mehr Erneuerbare Energien erzeugen, die Elektrifizierung der Netze und der Einsatz von Wasserstoff da, wo Elektrifizierung nicht möglich ist, und letztendlich die Entnahme des verbleibenden CO² aus der Atmosphäre (negative Emissionen).
Beteiligungsprozesse als Bedingung zum Erfolg der Energiewende
Die Oster- und Sommerpakete der Bundesregierung sollten dabei die neuen Rahmenbedingungen dafür schaffen und sowohl kurzfristige als auch langfristige strategische Antworten bringen, die notwendig und von gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Relevanz seien. Heilmaier erklärte, wie das neue Maßnahmenpaket der Bundesregierung aus energie- und klimapolitischer Sicht bestmöglich eine Energieversorgung im Einklang mit den Klimazielen versuche zu gewährleisten und zugleich wirtschaftliche und soziale Verwerfungen zu vermeiden.
Aus dem Publikum flossen kritische Stimmen in die Diskussion. Der NABU NRW bedauerte etwa eine unzureichende Beteiligung der Zivilgesellschaft bei dem Prozess um das Sommerpaket sowie die unzureichende Berücksichtigung des Artenschutzes. Zum Thema Fachkräftemangel hob Heilmaier hingegen hervor, die Bundesregierung sei mit den verschiedenen Branchen im Dialog, um Lösungen auf den Weg zu bringen. Auch geostrategisch sei es nun an der Zeit, die Solarbranche stärker in Deutschland anzusiedeln und dadurch neue Arbeitsplätze zu schaffen – heute werden PV-Anlagen überwiegend in China produziert.
Austausch in Kleingruppen
Mit den Zielkonflikten ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Fragen im Hinterkopf hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, sich in kleineren Gruppen auszutauschen und über Steuerungsansätze und Regierungsführung (Governance) zu reflektieren, Handlungsbedarfe auf den Ebenen Land und Kommune herauszuarbeiten und Empfehlungen für die Umsetzung der Energiewende in der Praxis zu formulieren - und damit einen Impuls in die Umsetzungspolitik zu geben.
Das Länderforum bildete zudem den regionalen Auftakt in der RENN.west-Region für das Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit, eine neue Plattform für Nachhaltigkeitsakteur*innen die unter Koordination des Rates für Nachhaltige Entwicklung entsteht. Weitere Infos dazu erhalten Sie hier.
Bei Rückfragen zum Länderforum steht Ihnen Marie Mévellec (0231-93696016, m.mevellec@lag21.de) gerne zur Verfügung.
Mehr über RENN.west erfahren Sie hier.