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Künstler Ruppe Koselleck bei StattParkKultur: „Das Porschemeer lockt alle heran“

Ruppe Koselleck präsentiert in Unna seinen „PORSCHEKOMPLEX“. / Foto: Ruppe

Künstler*innen und Expert*innen für Nachhaltigkeit verwandeln städtische Parkplätze für je einen Tag in Begegnungs- und Visionsräume – mitten in Detmold und Unna. Das ist die Idee von StattparkKultur im September 2019 rund um den Parking Day. Für das Projekt kooperieren die LAG 21 NRW und das NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste und die erstmals miteinander.

Im Interview sprechen die beteiligten Künstler*innen schon jetzt darüber, was sie für die Parkplätze planen, wie sie mit gereizten Reaktionen umgehen wollen – und warum die Mobilitätswende sie auch auf künstlerischer Ebene interessiert. Den Anfang macht Ruppe Koselleck: Am 17. September bringt er seinen „PORSCHEKOMPLEX“ auf den Parkplatz am Kreishaus Unna.

Lieber Ruppe, Deutschland ist ein Autoland. Verkehrswissenschaftler*innen sagen, die Mobilitätswende sei eine der größten Herausforderungen im Kampf gegen den Klimawandel. Wie kann deine Kunst hier in die autoverliebten Köpfe dringen?

Ruppe Koselleck: Durch das Spiel mit den Proportionen. Wenn auf einem Parkplatz tausende demolierter, bunter Modellporsche dicht an dicht stehen, so sind das alles zerkratzte Zeugen phantastischer Spielwelten. Jeder Porsche steht hier für eine abgelegte infantile Utopie von unfassbarer Geschwindigkeit, von ausgelebten Autorennen – des absoluten „Erster-sein-wollens“ – und in ihrer Summe wachsen sie zum „PORSCHEKOMPLEX“ heran. Mindestens 3.000 Modellporsche besetzen dann vorsätzlich und mutwillig ein, zwei, drei begehrte Parkplätze.

Der Porsche als männliches Sexsymbol bleibt immer auch sein eigener Blechfake – ist die geheime Superwaffe und zugleich die Erkenntnis gedopter Potenz. Er steht für Spaß mit Super, Oktan und Wohlstand, für Verschwendung von Ressourcen, Material und Intelligenz für hirnlose und doch irgendwie geile Blechdinger, deren enorme in PS ausgedrückten Pferdestärken nicht zwangsläufig mit dem Verstand ihrer Benutzer*innen korrelieren.

Und wenn meine mutwilligen und mobilen Blockadeaktionen von öffentlichem Parkraum mittels der Aufstellung tausender Porsches eines erreichen, dann ist es das Gespräch mit genau denen, die man sonst nicht erreicht! Das verspielte Porschemeer lockt alle heran – und verweist auf das Ende einer schönen Utopie der automobilen Gesellschaft, die sich im klimatischen und wörtlichen Superstau befindet.

Wie gehst du damit um, wenn Autofahrer*innen gereizt auf die umgewandelten Parkplätze reagieren?

Den Rezipienten zu reizen oder die Passantin zu stören, gehört zum Grundanliegen intriganter Interventionen in den öffentlichen Raum. Daher gilt: Nie Geizen mit Reizen! Jede*r kennt diesen ärgerlichen Mangel an Parkplätzen, wenn man mal ganz schnell nur noch was besorgen muss und dann das Auto „falsch“ parkt, so dass noch ein Knöllchen obendrauf kommt. Den Mangel zu vermehren muss wehtun – denn keine Veränderung verläuft ohne Schmerzen.

Das Verblüffende an dem Ärger mit denen, die dringend parken wollen - und die auch schon mal in meine Porscheinstallation hineinrollen – ist, dass der Ärger sich meistens verpufft. „Wie das sind Porsche? Nur Porsche… oh so einen hatte ich auch mal. So einen roten.“

Die ungeheure Menge an Modellautos scheint dabei eine kindliche Ebene im Gehirn anzuregen, die eher verspielt als aggressiv wirkt. Viele beginnen auf einmal davon zu erzählen, welche Autos sie hatten und wichtiger noch, welche eben nicht. Der Zornige beginnt zu lächeln. Und das ist dann der Beginn langer Gespräche.

Wieso interessiert dich eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Verkehr bzw. Parkplatz? Kennst du Künstler*innen bzw. Projekte in anderen Ländern, die sich mit Parkplätzen beschäftigen? Haben diese dich inspiriert?

Als Kind war ich sehr häufig auf Langeoog – einer Insel ohne Super, Diesel und Benzin (wenn man mal von der Feuerwehr und einem Traktor am Hafen absieht). Kutschen und E-Autos queren die Insel. Das riecht prägend gut, das Salz der Nordsee kam dazu. Am Ostende bin ich in Öl getreten, welches unter meinen Füßen kleben blieb. Spuren von gebrochenen Tankern und havarierten Bohrinseln in der Nordsee. Die Grundlagen einer diffusen Autofeindschaft waren gelegt.

Nach dem Abitur legte ich weite Strecken mit dem Fahrrad zurück, fuhr mit einem Freund von Bielefeld nach Istanbul, bereiste später Rumänien, Polen oder Italien. Immer von hier aus – immer mit dem Rad. Wer den ungeheuren Verkehr metropolitaner Regionen wie Istanbul mit dem Fahrrad durchquert oder Mexico City mit dem Auto bereist hat, weiß um die evidenten Grenzen des Automobils und so lag es für mich als Konzeptkünstler nahe, mich mit der Automobilität bzw. dem konkreten Raum zu befassen, den das Auto in unseren Köpfen und Städten einnimmt.

Inspiriert zu Parkplatzbesetzungen haben mich weniger Künstler*innen, als vielmehr Politspontis und Aktivist*innen. Eine Initiative – „Mobil ohne Auto“ – organisierte zwischenzeitlich in Münster Parkplatzfrühstücke, traf sich an Verkehrswegen und zweckentfremdete damit den Parkraum. Dabei kam es zu vergnüglichen Begegnungen bei Kaffee und Brötchen. Das faszinierte mich und ich experimentierte später mit platten Fahrrädern, die ich auf einem Parkplatz reparierte, um damit den Auto- in einen Radraum umzuwidmen.

Als Stipendiat im Künstlerdorf Schöppingen entwickelte ich dann den „PORSCHEKOMPLEX“. Dieser versuchte einerseits Raum zu besetzten, ohne diesen zweck-zu-entfremden – denn es bleiben ja Autos, die dort stehen, nur eben ganz kleine – andererseits konnte ich mit der ökoästhetischen Frage des „PORSCHEKOMPLEX“ zugleich auch eine ökonomische verbinden. Denn es bemisst sich – wie gemeinhin bekannt – der Wohlstand einer deutschen Kleinstadt stets an der regionalen PRO-KOPF-PORSCHE-DICHTE (PKPD). Je mehr Porsche parken, desto wohlfahriger ist der anzunehmende Reichtum vor Ort.

Mittels der Besetzung und mutwilligen Verknappung von Parkräumen verwickele ich, mal angemeldet mal genehmigungslos, mal eingeladen mal auf eigene Faust von London bis Wunsiedel von Minden über Wien nach Paris Menschen in einen Kunst- und Klimadialog.

Angestrebt ist bei der ansteigenden Ansammlung meiner Porschesammlung das Ziel der 10.000 Modellporsche, die den Kurfürstendamm in Berlin auf 150 Metern zuparken. Damit werden dann die symbolträchtigen oberen Zehntausend zum bunten Blechärgernis auf der Suche nach abgasfreundlichen Parkflächen für den schnellen Einkauf.

Und am 17. September 2019 wird die Porschedichte in Unna so hoch sein, wie noch nie zuvor! Vielleicht erreiche ich sogar die angepeilten 5.000! Und genau dafür benötige ich euren und Ihren Support, sofort – es sei denn ihr bringt bzw. Sie bringen ihn mir am 17. September 2019 vor das Kreishaus! Ein und eine Jede*r kann bei mir vor Ort seinen bzw. ihren mitgebrachten Modellporsche einparken. Und jede Porschespende erhält in Unna eine neuartige Porschespendequittung.

Lieber Ruppe, vielen Dank für die Antworten!

 

Die Fragen stellten das NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste und die LAG 21 NRW.

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StattParkKultur: „PORSCHEKOMPLEX“, 17. September, 08.00-16.30 Uhr, Parkplatz am Kreishaus Unna

Das Projekt wird vom Rat für Nachhaltige Entwicklung über den Fonds Nachhaltigkeitskultur im Rahmen des Ideenwettbewerbs „Mobilitätskultur und Nachhaltigkeit“ gefördert.

Alle StattParkKultur-Termine finden sich hier.

Video: Ruppe Koselleck - "Pariser Probeparken meiner Porschesammlung"

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