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Vorbild für nachhaltige Lösungen sein: Dr. Andreas Kaiser vom Kreis Siegen-Wittgenstein im Interview

Was bewegt die Mitglieder der LAG 21 NRW? Wie setzen sie sich für Nachhaltige Entwicklung ein? Diesmal: Dr. Andreas Kaiser,  Klimaschutzmanager des Kreises Siegen-Wittgenstein.

Naturräume bewahren und trotzdem Infrastruktur weiterentwickeln - dieses Spannungsfeld kennt man auch im Kreis Siegen-Wittgenstein. Klimaschutzmanager Dr. Andreas Kaiser sprach im Interview mit uns über Lösungsansätze, Erfahrungen aus dem GNK-Prozess und wieso das im Kreis realisierte Projekt "KlimaScouts" gerne adaptiert werden darf.

Welche besonderen Chancen für eine Nachhaltige Entwicklung finden sich im Kreis Siegen-Wittgenstein?

Der Kreis Siegen-Wittgenstein ist der waldreichste Kreis Deutschlands und bietet ein hohes Maß an naturnahen Ökosystemen: Er ist ein Hotspot der Biodiversität in NRW. Auf der anderen Seite sind wir mit unseren Partnerkreisen in Südwestfalen die Industrieregion Nr. 1 in NRW und die älteste Industrieregion Europas. Immer schon haben wir eine hervorragende Balance zwischen Natur und Industrie hinbekommen – z.B. auch durch den „Hauberg“, eine Jahrhunderte alte Form der nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Diese Balance möchten wir auch in Zukunft erhalten. Was das genau bedeutet, muss jede Generation wieder neu definieren.

Und welche Herausforderungen finden sich?

Aktuell stehen wir z.B. vor der Herausforderung, den Wirtschaftsstandort weiterzuentwickeln und leistungsfähige Verkehrsverbindungen zwischen Siegerland und Wittgenstein zu schaffen. Zugleich wollen wir die vielfach noch unberührten Naturräume bewahren und ökologisch aufwerten. Und das in einem Umfeld, in dem das großflächige Fichtensterben unsere Landschaft schon jetzt fundamental verändert hat und für Jahrzehnte Auswirkungen auf die Entwicklung von Flora und Fauna haben wird. Auch die zunehmende Trockenheit wirft viele Fragen auf, nicht nur die nach der künftigen Trinkwasserversorgung. Bei der Bewältigung all dieser Herausforderungen und dem Ergreifen von Chancen, die wir sehen, kann unser Kreis durchaus überregionales Vorbild sein.

Im Projekt „Global Nachhaltige Kommune“ hat der Kreis Siegen-Wittgenstein zwischen 2019 und 2021 als eine von 15 Modellkommunen eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt. Wieso war es für den Kreis wichtig, eine Strategie entlang der 17 SDGs zu erarbeiten?

Überall auf der Welt wo Menschen leben und wirtschaften gibt es ein Spannungsverhältnis zu den Bedürfnissen naturnaher Ökosysteme. Die 17 SDGs werden bereits global gedacht und können entsprechend weltweit Anwendung finden. Diese als Leitlinie für eine nachhaltige Entwicklung in unserem Kreis heranzuziehen und auf die Region anzuwenden, erlaubt es uns, von und mit anderen zu lernen, eine gemeinsame Sprache zu finden und die anstehenden gesellschaftlichen Transformationen anzustoßen und zu begleiten. In allen von uns bearbeiteten Themenfeldern finden bereits Umbrüche statt, bei denen wir die Bürger*innen mitnehmen wollen. Ohne sie geht es nicht – erst recht nicht gegen sie.

Welche Themen sind zentral in der Strategie und zu welchem SDG finden sich die meisten Bezüge?

Foto: Klaus-Peter Kappest / Kreis Siegen-Wittgenstein

Zu Beginn des Prozesses entschieden wir uns für fünf Themenfelder: Lebenslanges Lernen & Kultur, Gute Arbeit & Nachhaltiges Wirtschaften, Soziale Gerechtigkeit & zukunftsfähige Gesellschaft, Globale Verantwortung & Eine Welt und nachhaltige Mobilität. Viele dieser Themenfelder bedienen u.a. den Klimaschutz als Querschnittsthema, worauf der Kreis besonderen Wert legt. Die Schwerpunkte unserer Nachhaltigkeitsstrategie haben wir an die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen unserer Region angelehnt, um hier unter Einbindung der Öffentlichkeit Lösungen und Konzepte zu entwickeln. Die meisten Bezüge gibt es hierbei zu SDG 11 (Nachhaltige Städte und Gemeinden), was gut mit den Kernanliegen des Kreises korrespondiert, da die Kreisverwaltung als interkommunaler Dienstleister sämtliche Gemeinden bei der nachhaltigen Entwicklung unterstützen möchte.

Auch eine Ihrer kreisangehörigen Kommunen – die Stadt Bad Berleburg – hat im Jahr 2018 eine Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet. Wie haben Sie die Kommunen im Erarbeitungsprozess der Nachhaltigkeitsstrategie des Kreises mitgenommen und wie können Kreis und Kommunen das Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit im Zusammenspiel vorantreiben?

Ganz genau! Vertreter*innen aus Bad Berleburg als im Prozess erfahrene Kommune waren involviert, genauso wie die Stadt Siegen, die als Großstadt das Oberzentrum für die Region darstellt. Im regelmäßigen Austausch mit den Kommunen werden (derzeit online) auch die Themen der Nachhaltigkeitsstrategie besprochen. Wir beginnen nun mit der Verstetigung der Maßnahmen und freuen uns bereits wieder auf die nächsten Steuerungsgruppensitzungen, um Schritt für Schritt die Maßnahmen voranzutreiben. Einige Initiativen befinden sich bereits in der Umsetzung, was uns sehr freut!

Welches Projekt rund um Nachhaltige Entwicklung aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein würden Sie gerne auch in anderen Kommunen realisiert sehen?

Im Rahmen der Umsetzung unserer Nachhaltigkeitsstrategie werden wir das Projekt „KlimaScouts“ umsetzen. Die KlimaScouts sind Tandems aus Schüler*innen und Erwachsenen, die ausgebildet von führenden Wissenschaftler*innen aus der Klimaforschung Fachwissen in die Region tragen sollen. Die Ausbildung erfolgt in Workshops und holt die Forschung aus dem oft zitierten Elfenbeinturm an den Runden Tisch mit den Bürger*innen. Ist der Qualifizierungsprozess abgeschlossen, können die Teams ihr Wissen in Schulen, Vereinen oder der Verwaltung weitergeben und helfen so, die komplexen Abläufe im Klimageschehen der Öffentlichkeit zu vermitteln. Parallel erwächst online eine Umweltbildungsplattform, die teils spielerisch und teils in Form von Kursen und Examen die Ausbildung für alle zugänglich machen soll – das Thema erscheint uns einfach auf gesellschaftlicher und politischer Ebene als zu wichtig, als dass man hier eine mehr schlecht als recht informierte Bürgerschaft mit auf den weiteren Weg nehmen sollte.

Der Kreis Siegen-Wittgenstein ist seit Kurzem Mitglied bei der LAG 21 NRW – warum haben Sie sich für eine Mitgliedschaft entschieden und welche Hoffnungen oder Erwartungen sind damit verbunden?

Bereits im Rahmen des GNK-Prozesses hat die LAG 21 NRW großartige Unterstützungsarbeit geleistet und tolle Vernetzungsmöglichkeiten geboten. Da die meisten Kommunen vor ähnlichen Herausforderungen stehen und vielerorts spannende Lösungen entwickelt werden, freuen wir uns auf den weiteren Austausch und auch auf das gemeinsame Lernen bei Veranstaltungen der LAG 21 NRW. Wir hoffen darauf, dass wir als Mitglieder der LAG 21 NRW an einem Strang ziehen und uns gegenseitig unterstützen anstatt zu konkurrieren, uns über Neuerungen und Lösungsstrategien informieren anstatt uns abzugrenzen.

Mehr aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein erfahren Sie hier.

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