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Klotzen, nicht kleckern: Was wir von der Tagung „Insekten schützen – Artenvielfalt bewahren“ mitnehmen

Links: Infoplakat. / Rechts: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet an einem der Stände.

Der Saal in Düsseldorf erinnerte an einen Bienenstock: Rund 300 Interessierte waren bei der ersten Insektenschutz-Tagung Nordrhein-Westfalens dabei, darunter Wissenschaftler*innen, Landwirt*innen und sogar der Entertainer-Mediziner Dr. Eckart von Hirschhausen. Eingeladen hatte das Umweltministerium NRW (MULNV). Was nehmen wir aus der Veranstaltung mit?

„Insekten schützen – Artenvielfalt bewahren“: So lautete der hoffnungsvolle Titel der Tagung am 3. Juni 2019. Hoffnungsvoll deshalb, weil es um die Insektenwelt sehr schlecht bestellt ist. Nicht nur im Industrieland NRW, sondern weltweit seit den 1950er Jahren. Überall dort, wo u.a. extensive Landwirtschaft (Stichworte Dünger und Pestizide), Zersiedelung, Monokulturen, Bodenversiegelung, invasive Arten, Lichtverschmutzung und natürlich der Klimawandel die Lebensgrundlagen von Schmetterlingen, Wildbienen und anderen Insekten zerstören. Das sind die bekannten Ursachen.

Ursachenforschung ist noch nicht abgeschlossen

Aber: Weitere Ursachen und ihre jeweilige Wirkung auf Insektenarten müssten noch näher erforscht werden, sagte Prof. Dr. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz (kurz BfN). Zum Beispiel verschwänden nicht alle Wildbienen-Arten gleichermaßen, woran das liege, wisse man nicht.

Es gelte das Vorsorgeprinzip, so Jessel. Heißt: Es müssten sofortige Maßnahmen ergriffen werden, und zwar „in der Fläche, und nicht auf nur kleinen Gründrandstreifen“. Die BfN-Präsidentin sprach übrigens nicht von einem „Insektensterben“, sondern von einem „Insektenrückgang“ – um „eine Entwicklung darzustellen“, wie sie sagte.

Selbst in Naturschutzgebieten ist der Insektenrückgang zu beobachten. Zu den Ursachen äußerte sich Dr. Martin Sorg vom Entomologischen Verein Krefeld (EVK). Die 2017 veröffentlichte EVK-Studie ist die erste groß angelegte Langzeituntersuchung der Insekten-Biomasse in Deutschland. Experte Sorg sieht große Planungsmängel bei der Landschaftsnutzung. Dies betreffe sehr viele Flächen, nämlich dort, wo Schutzgebiete an Ackerflächen angrenzten oder Äcker mitten in Schutzgebieten lägen. „Die Ackerflächen werden nicht integriert in die Naturschutzplanung, es fehlt an einer Risikobewertung“, sagte Sorg. Hinzu kämen mangelhafte Pufferzonen rund um Naturschutzgebiete.

Klar ist: Das Insektensterben bedroht uns alle

Dass es so nicht weitergehen kann, war allen Teilnehmenden der Tagung prinzipiell klar. Große Plakate im Veranstaltungssaal warnten vor den Folgen eines Artensterbens: „90 Prozent Ernterückgang in der Landwirtschaft wären ohne die Insektenbestäubung zu erwarten. “ – „80 Prozent der Wildpflanzen in Deutschland sind auf die Bestäubung angewiesen.“  Prof. Dr. Thomas Fartmann (Leiter der Abteilung Biodiversität und Landschaftsökologie an der Universität Osnabrück) warnte in seinem Vortrag: „Wenn die Insekten verschwinden, verschwinden ebenfalls die Vögel.“ Auch Säugetiere und Amphibien wären betroffen. Es steht also das gesamte Ökosystem auf dem Spiel.

Was tun: Großes Spektrum an Ideen und Maßnahmen

Zeit also, zu handeln. Anregungen dafür fanden Teilnehmende reichlich, nicht nur bei den Ständen am Markt der Möglichkeiten. Hier gab z.B. die Natur- und Umweltschutz-Akademie NRW (NUA) Tipps für eine „Blühende Vielfalt im Vorgarten“, das Netzwerk Blühende Landschaften suchte Blühpaten, der Landesbetrieb Wald und Holz NRW berichtete über seine Strategie „Biotopholz“ und nachhaltige Forstwirtschaft allgemein (ein Thema, das ansonsten zu kurz kam), und die Kommune Vreden informierte über das vorbildhafte Projekt „Wegerandstreifen“.

Die Landwirtschaftskammer NRW stellte ihre Beratungsangebote rund um Biodiversität in der Landwirtschaft vor. Betriebe können Fördermittel erhalten, wenn sie beispielsweise Acker in Grünland umwandeln oder auf Insektizide verzichten (sogenannter Vertragsnaturschutz). Auch das Thema Mais-Monokulturen durch Biogasanlagen wurde aufgegriffen: Forscher der Universität Münster untersuchen im Projekt „GrünSchatz“, ob man die Anlagen nicht auch mit Wildpflanzenmischungen wirtschaftlich betreiben kann.

Der Ball liegt nun bei der Politik

Und es gab noch viel mehr spannende Ideen. Allein: Sie alle bringen nichts, wenn die Politik sie nicht in der Fläche umsetzt. Einiges tut sich auch schon in NRW, die Maßnahmen kann man hier in der Pressemitteilung des MULNV gebündelt nachlesen. Manche davon, etwa die Ausweitung des Vertragsnaturschutzes, kosten viel Geld. Umweltministerin Ulla Heinen-Esser hofft auf mehr Mittel für die Umsetzung, wie sie sagte. Ob dieses Geld aus Brüssel oder aus anderen Quellen kommen soll, blieb aber unklar.

Weitere Empfehlungen kamen u.a. von Dr. Martin Sorg vom Entomologischen Verein Krefeld. Sorg rät im Bereich Naturschutzplanung zu einer Änderung des Ordnungsrechts und empfiehlt eine strenger nach Schutzzonen differenzierte Förderung, um Anreize für Landwirte zu schaffen. Handlungsbedarf sieht Sorg auch beim Pflanzenschutzrecht, so würden Verstöße bisher gar nicht als Ordnungswidrigkeit behandelt. Eindämmen müsse man zudem die „Pestizid-”Fracht“ vor allem in kleineren Fließgewässern im Flachland: „Hier geht es auch darum, dass insektizidbehandelte Äcker Risiken für naheliegende Naturschutzgebiete darstellen.“

Ministerin Heinen-Esser räumte ein: „Das Blühstreifenprogramm zu verdoppeln, reicht nicht aus! Wir brauchen große, zusammenhängende Flächen.“ Wir müssen also beim Flächenschutz klotzen, nicht kleckern. Die Medienmitteilung des MULNV zur Tagung finden Sie hier.

 

Viele wichtige Vorschläge sowie Forderungen für den Schutz der natürlichen Ressourcen, für eine zukunftsfähige Landwirtschaft und nachhaltigen Flächenschutz haben wir gemeinsam mit anderen Organisationen in der Stellungnahme des Fachforums Nachhaltigkeit 2019 veröffentlicht. Die Stellungnahme finden Sie hier.

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