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Günther Bachmann (Rat für Nachhaltige Entwicklung) im Interview: "Das HLPF darf nicht so bleiben, wie es ist"

Prof. Dr. Günther Bachmann ist Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung. / Foto: Noel Tovia, RNE

Das High-level Political Forum (HLPF) 2018 der Vereinten Nationen ist zuende. Was war diesmal besonders bei der Konferenz für Nachhaltige Entwicklung? Prof. Dr. Günther Bachmann ist Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE). Er spricht im Interview über seine Aha-Erlebnisse, aber auch über das "dunkle Gesicht" des HLPF.

 

Herr Bachmann, das HLPF 2018 wurde als "fruchtbar" und "inspirierend" gelobt. Haben Sie das auch so empfunden?

Günther Bachmann: Im Prinzip ja. Ich habe aber auch das andere Gesicht des HLPF gesehen. Aber ohne Zweifel: Vor fünf Jahren wollten wir für die SDGs einen kraftvollen Überprüfungsmechanismus. Die Mehrheit der Staaten wollte nicht so weit gehen. Bekommen haben wir daher zunächst "nur" die freiwilligen Länderberichte.

Aber jetzt zeigt sich ein richtiger "Run" auf die Länderberichte und es gibt Konzepte, wie man mehr Qualität und mehr Lerneffekte reinbringt. Die hohe Beteiligung und wirklich anspruchsvolle Berichte von zum Beispiel Spanien, Kiribati, Togo, Mexiko geben das Niveau vor. Das kann man schon einen Erfolg nennen. Das ist auch gut so. Das HLPF ist die politische Heimat der SDGs. In dieser Funktion ist es unverzichtbar. Zugleich darf es nicht so bleiben, wie es ist.

Ist das das andere Gesicht, von dem Sie sprachen?

Günther Bachmann: Die dunkle Seite, wenn Sie so wollen, ist, dass das Salz in der Suppe fehlt: die Partizipation von NGOs und gesellschaftlichen Gruppen ist noch immer ein Stiefkind; die USA tun so, als ginge sie das Ganze nichts an. In den thematischen Sitzungen zum Stand der SDGs dominieren die Silos; wir kommen der Zielerreichung nicht wirklich näher; es gibt keine Diskussion über die Weiterentwicklung der HLPF-Governance, obwohl jede Beobachterin die Fallstricke gut benennen kann.

Die dunkle Seite ist, dass zu viele Beteiligte viel zu schnell zufrieden sind mit dem, was das HLPF heute leisten kann. Ich kann das teilweise verstehen. Die haben Angst vor der zerstörerischen Energie der US-Regierung. Für die ist es schon ein Wackeln des SDG-Konsenses, dass die USA eine namentliche Abstimmung des Schlussdokuments des HLPF erzwungen hatten und gegen wichtige Inhalte waren. Ich sehe das anders. Es ist doch gesund, wenn man nicht mit den Trump-USA stimmt und man deren Position unmissverständlich marginalisiert. Das ist der Konsens, der zählt.
 
Für Menschen, die Sie nicht kennen: In welcher Funktion waren Sie dort, wie haben Sie sich am HLPF beteiligt?

Günther Bachmann: Gemeinsam mit dem Bundeskanzleramt habe ich dafür gesorgt, dass Helen Clark (ehemalige Premierministerin Neuseelands und Leiterin der Peer-Review-Expertengruppe) und andere "Peers" den Peer Review zur deutschen Nachhaltigkeitsstrategie vorstellen konnten. Der Peer Review ist ein kritischer Blick von außen auf das, was wir in Deutschland tun. Wir machen das als Stakeholder-basierten Review. Das ist international Neuland und hat viel Interesse erzeugt.

Daneben war ich gemeinsam mit Heidemarie Wieczorek-Zeul (langjährige Bundesministerin für Entwicklung und RNE-Mitglied) beim UN-Generalsekretär und habe bei Herrn Guterres für die Beschleunigung der politischen Prozesse zur Agenda2030 geworben.

Was waren für Sie die wichtigsten Ergebnisse? Welche Geschichten haben sich eingeprägt?

Günther Bachmann: Ich hatte zwei richtige Aha-Erlebnisse: Saudi-Arabien kämpft für Niedrigpreise für Solarenegie. Sie machen Kampfpreise zur Unterbietung der niedrigsten Marktpreise für Solarenergie-Anlagen. Das geht runter auf 1,6 US-Cent pro Kilowattstunde. Das Andere: Ich war bei einer Wallstreet Party, die die SDGs als Investitionschance feierte. Da kann man lange kritisch drüber nachdenken, aber insgesamt war das schon erstaunlich, ich kenne hierzulande nichts Ähnliches.
 
Sie haben sich unter anderem intensiv zur deutschen Nachhaltigkeitspolitik ausgetauscht. Welchen Beitrag kann Deutschland in Ihren Augen zur globalen Umsetzung der SDGs leisten?

Günther Bachmann: Deutschland sollte sich viel mehr für die multilaterale Zusammenarbeit zu den SDGs einsetzen. Und wir müssen unseren "Triple"-Ansatz (hierzulande: den Footprint verringern, anderen Ländern helfen, aber vor allem hier Lösungen entwickeln und groß machen, damit sie anderswo bezahlbar sind) stärker mit Leben füllen. Deutschland sollte auf UN-Ebene die Patenschaft für fünf besonders wichtige SDG-Teilziele übernehmen, zum Beispiel für die Halbierung der Lebensmittelverschwendung.

Vielen Dank für Ihre Antworten, Herr Bachmann!

 

Die Fragen stellte die Pressestelle der LAG 21 NRW.

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