Von Gruppentischen und Handlungsfeldern: Einblicke in die Entwicklung einer kommunalen Nachhaltigkeitsstrategie
Wie sieht es aus, wenn Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft einer Kommune zusammenkommen, um gemeinsam die Handlungsfelder und Ziele für eine Nachhaltigkeitsstrategie zu erarbeiten? Wir geben Einblicke in eine Sitzung, die zeigen, welche verbindende Wirkung der Prozess innehält.
Dienstagnachmittag in einer Stadthalle. Vor großen Flipcharts, die verteilt in dem dunkelrot verkleideten Raum mit der gemütlichen Beleuchtung stehen, wird angeregt diskutiert. Insgesamt sind es etwa 25 Bürger*innen, Verwaltungsmitarbeitende und Politiker*innen, die hier in den Dialog gehen. Vereinzelt kleben Beteiligte runde, rote Sticker auf Poster, die an Flipcharts befestigt wurden. Es wird von Plakat zu Plakat geschlendert, man kommt miteinander ins Gespräch, bis ein Glockenklingeln die Teilnehmenden zurück an ihre Gruppentische ruft – und die Plenumsdiskussion beginnt.
So kann es aussehen, wenn eine Kommune sich dazu entschließt, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln, um Nachhaltigkeit als Leitprinzip des kommunalen Handelns strategisch festzuschreiben.
Die Nachhaltigkeitsstrategien: Herzstück des kommunalen Nachhaltigkeitsmanagements
Die strategische Verankerung von Nachhaltigkeit in den Strukturen und Prozessen kommunalen Handelns bildet einen zentralen Pfeiler auf dem Weg zur Umsetzung der Agenda 2030 und ihren 17 globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs) – denn in den Städten und Gemeinden können wichtige Weichen für die Transformation gestellt und Wandel erlebbar gemacht werden. Ein zentrales Instrument hierfür ist die integrierte kommunale Nachhaltigkeitsstrategie.
Hierbei werden von Akteur*innen aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft, der sogenannten Steuerungsgruppe, zielgerichtete Lösungsansätze für fünf ausgewählte Handlungsfelder erarbeitet. Die Kernidee besteht in einer über mehrere Sitzungen immer handlungsorientierter werdenden Strategieentwicklung. Angefangen mit der gemeinschaftlichen Einigung auf übergeordnete Zielsetzungen vor dem Hintergrund der Agenda 2030, den Leitlinien, endet die Ausarbeitung der Strategie schließlich mit der Verabschiedung konkreter Maßnahmen und Ressourcen. Diese sind aufgrund der kooperativen Erarbeitung und dem damit verbundenen Einbringen vielfältiger Perspektiven auf die spezifischen Belange der entsprechenden Kommune abgestimmt. Dies erhöht nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Zielerreichung, sondern kann aufgrund der partizipativen Einbindung zudem die Akzeptanz für notwendige Transformationsschritte vor Ort fördern.
Der Weg zur Ausarbeitung präziser Maßnahmen wird über fünf Sitzungen fortgeschrieben. Nach einer ersten Bestandsaufnahme und Erläuterung des Strategieerarbeitungsprozesses wählen die Beteiligten in der ersten Sitzung die Handlungsfelder aus, für die die Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt werden soll. Darauffolgend werden in der zweiten Sitzung entsprechende Leitlinien und strategische Ziele, welche eine grobe Spezifizierung der Leitlinien darstellen, festgelegt und in der dritten Sitzung verabschiedet. In handlungsfeldspezifischen Arbeitsgruppen entwickeln Mitglieder der Steuerungsgruppe in dieser Sitzung zudem operative Ziele, womit konkrete Ergebnisse gemeint sind, die aus den zuvor formulierten strategischen Zielen abgeleitet werden. Das vierte Treffen der Steuerungsgruppe dient schließlich der Verabschiedung der operativen Ziele, sowie der Entwicklung handlungsorientierter Maßnahmen, die wiederum in einer letzten finalen Sitzung gemeinschaftlich beschlossen werden.
Klimaschutz bis Bildung: Handlungsfelder kommunaler Nachhaltigkeitsaktivitäten
Die Bereiche, in denen eine Kommune für Nachhaltige Entwicklung aktiv werden kann, sind breit gefächert. Die relevantesten Bereiche finden sich in den zehn Handlungsfeldern, die im Rahmen des Modellprojekts „Global Nachhaltige Kommune“ von der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt von Engagement Global und LAG 21 NRW, entwickelt wurden. Dieses wird aktuell auch im Projekt „Prozesskette Nachhaltigkeit NRW“ angewandt (die Bewerbungsphase für die 2. Laufzeit läuft – Infos hier).
Nach diesem Modell wählt eine Kommune für ihre erste Nachhaltigkeitsstrategie fünf Handlungsfelder aus. Weitere können später in Fortschreibungen ergänzt werden.
Das sind die zehn Handlungsfelder: „Nachhaltige Verwaltung“, „Lebenslanges Lernen & Kultur“, „Gute Arbeit & Nachhaltiges Wirtschaften“, „Soziale Gerechtigkeit & zukunftsfähige Gesellschaft“, „Nachhaltiger Konsum & gesundes Leben“, „Globale Verantwortung & Eine Welt“, „Klimaschutz & Energie“, „Nachhaltige Mobilität“, „Ressourcenschutz & Klimafolgenanpassung“, „Wohnen & Nachhaltige Quartiere“.
Rote Punkte markieren Diskussionsbedarf: Einblick in eine 4. Steuerungsgruppensitzung
Zurück zur Sitzung in der Stadthalle mit den dunkelroten Wänden: Hier bestreiten die Mitglieder der Steuerungsgruppe gerade die vierte Sitzung ihres Strategieprozesses. Zu Anfang erhielten sie von den Koordinatorinnen einen Rückblick über die bisher erreichten Meilensteine, dann startete der Rundgang entlang von Postern zu den ausgewählten Handlungsfeldern. Hier werden die aktuellen Entwürfe für operative Ziele dargestellt. Mittels roter Klebepunkte wurde markiert, bei welchen Themen aus ihrer Sicht weiterer Diskussions- und Anpassungsbedarf besteht. Durch die lockere Gesprächsatmosphäre entstand bereits ein erster Austausch der Steuerungsgruppenmitglieder untereinander, in dem Fragen zu operativen Zielen untereinander beantwortet und fachlich diskutiert werden konnten.
Nun also startet eine Plenumsdiskussion, in der die mit Klebepunkten versehenen operativen Ziele im breiten Kreis diskutiert und gegebenenfalls über Alternativvorschläge abgestimmt wird. Dabei gilt es, demokratisch geschlossene Kompromisse auszuhandeln, die für alle Beteiligten tragbar sind.
Einen Rahmen für diese Entscheidungen kann eine einheitliche Definition von Nachhaltigkeit geben – die sich bestenfalls an das Prinzip der „starken Nachhaltigkeit“ hält und somit die planetaren Belastungsgrenzen als Rahmen für menschliches Handeln erkennen.
Stringenter Prozess: In fünf Schritten zur Nachhaltigkeitsstrategie
Nach Verabschiedung der operativen Ziele starten die handlungsfeldspezifischen Arbeitsgruppen damit, konkrete Maßnahmenvorschläge für die Erreichung der jeweiligen operativen Ziele zu erarbeiten. Gemeinschaftlich überlegen sich die Teilnehmenden Aktivitäten, mit welchen die gesamte Stadtgesellschaft einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten kann.
Am Ende der Veranstaltung kommt so eine umfangreiche Sammlung an Maßnahmen zusammen. Die Teilnehmenden haben nun die Möglichkeit, im Laufe der nächsten Woche weitere Vorschläge für Maßnahmen der Kommune einzureichen. Diese werden dann vom verwaltungsinternen Kernteam ausgewertet und auf ihre Machbarkeit überprüft.
In Strategieprozessen des Projekts „Prozesskette Nachhaltigkeit NRW“ unterstützt hierbei das Team der LAG 21 NRW, die auch bei den Sitzungen vor Ort moderiert, berät und für Fachfragen bereitsteht.
Nach dem Abschluss dieser vierten Steuerungsgruppensitzung rückt das Ziel einer kommunalen Nachhaltigkeitsstrategie in greifbare Nähe: In der fünften und letzten Sitzung werden die Maßnahmen diskutiert und verabschiedet, sowie über die Verstetigungsplanung gesprochen. Die von der Steuerungsgruppe finalisierte Strategie wird dann dem Rat der Stadt zur finalen Verabschiedung überreicht.
Wege zur eigenen kommunalen Nachhaltigkeitsstrategie
Beratung: Ihre Kommune will eine eigene Strategie entwickeln? Kommen Sie gerne auf uns zu: info@lag21.de
Prozesskette Nachhaltigkeit NRW: In diesem Projekt werden NRW-Kommunen kostenfrei von der LAG 21 NRW bei der Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategie, -bericht oder -haushalt begleitet. Die Bewerbungsphase für die 2. Laufzeit läuft bis zum 12. September 2024. Alle Infos hier.