Umweltbewusstseinsstudie: Multiple Krisen senken Wahrnehmung von Umwelt- und Klimaherausforderungen
Wie steht es um das Klima- und Umweltbewusstsein in Deutschland? Und welche Implikationen lassen sich daraus ableiten? Die Umweltbewusstseinsstudie 2024 des Umweltbundesamtes gibt Antworten auf diese Fragen. Ein Überblick.
Letztens noch Talk-Show Thema Nr. 1, jetzt kaum noch sichtbar: Die Themen Klima- und Umweltschutz erlebten noch vor wenigen Jahren in Deutschland ein Allzeithoch. Fridays for Future mobilisierte zeitweise Millionen Menschen mit ihrer Forderung nach konsequentem Klimaschutz zur Eindämmung der Klimakrise, das Thema geriet ins Zentrum des gesellschaftlichen Diskurses und wurde zum prägenden Motiv der Bundestagswahl 2021.
Inzwischen vereinnahmen brennende Themen wie Pandemie, Kriege und wirtschaftliche Unsicherheiten die mediale Aufmerksamkeit - auch wenn die Klimakrise weiter negative Rekorde einstellt: 2024 war das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen und aktuelle Prognosen weisen darauf hin, dass die globale 1,5-Grad-Grenze womöglich bald überschritten werden könnte. (Infos hier)
Wie steht es also um den Stellenwert von Klima- und Umweltschutz in der Gesellschaft? Die kürzlich erschienene „Umweltbewusstseinsstudie 2024“ des Umweltbundesamtes, die seit 1996 alle zwei Jahre durchgeführt wird, beleuchtet, wie die Menschen in Deutschland heute und im Zeitvergleich über Umwelt- und Klimaschutz denken.
Umwelt- und Klimaschutz weiterhin für über die Hälfte der Befragten sehr wichtig
Zunächst lässt sich festhalten: Umwelt- und Klimaschutz ist weiterhin für über die Hälfte der Menschen in Deutschland sehr wichtig – weitere 34% schätzen das Thema als „eher wichtig“ ein. Im Vergleich zu den Befragungsjahren 2018 und 2022, wo das Thema stark an Bedeutung gewann, verliert es jedoch an Relevanz und sinkt wieder auf das Niveau von 2016 und früher. Eine Mehrzahl der Befragten empfindet, gerade im Vergleich zu 2022, andere Themen als wichtiger. So rücken gerade die Themen Gesundheitswesen, Kriminalität und öffentliche Sicherheit zunehmend in den Fokus der wahrgenommenen Wichtigkeit.
Zunehmende Zufriedenheit von Bürger*innen mit kommunaler umwelt- und klimapolitischer Arbeit
Fragt man Bürger*innen aus Deutschland nach ihrer Zufriedenheit, was das umwelt- und klimapolitische Engagement einzelner Akteure angeht, dann finden die meisten, dass Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Bürger*innen nicht genug tun. So finden lediglich 28%, dass die Bundesregierung genug oder eher genug für Klima- und Umweltschutz tut, bei Industrie und Wirtschaft sind es 22%, bei Bürger*innen 26%. Einen deutlichen Aufschwung mit einer Steigerung um acht Prozent im Vergleich zur vorherigen Umfrage im Jahr 2022 erfahren jedoch Städte und Gemeinden: Hier sind 35% der Befragten der Meinung, dass Kommunen (eher) genug tun. Das zeigt: Lokale Nachhaltigkeitspolitik wird gesehen – und wertgeschätzt.
Hoffnung auf Lösung der Klimakrise nimmt ab, gesundheitliche Belastung nimmt zu
Einen Tiefpunkt erreicht das Vertrauen der Bürger*innen, wenn es um die Frage geht, ob die Probleme, die aus dem Klimawandel resultieren, bewältigt werden können. Nur ein knappes Drittel der Befragten ist noch voll und ganz oder ziemlich überzeugt davon, dass die Folgen der Klimakrise in Deutschland angegangen und abgefangen werden können. Das ist das niedrigste Ergebnis in dieser Umfragereihe, die seit 2002 erhoben wird.
Gleichzeitig nimmt die wahrgenommene Umweltbelastung zu. Zwar wird die Umweltqualität im direkten Wohnumfeld mehrheitlich als positiv bewertet – und liegt damit deutlich über der Einschätzung der globalen Umweltqualität –, jedoch geben 31% der Befragten an, sich durch akute Umwelt- und Schadstoffbelastungen gesundheitlich belastet zu fühlen. Dabei werden gerade die durch die Klimakrise begünstigten Hitzeperioden von zwei Dritteln der Befragten als starke oder sehr starke Belastung empfunden. Auch über den Zeitvergleich wird deutlich, dass die gesundheitlichen Umweltbelastungsfaktoren im Vergleich zur Zeitperiode 2002 bis 2010 allesamt zugelegt haben.
Klimafreundlicher, bezahlbarer Wohnraum und Anbindung an ÖPNV als Schlüssel für erhöhte Lebensqualität
Obwohl die Mehrheit der Menschen in Deutschland grundsätzlich mit dem Zustand der Umwelt an ihrem Wohnort zufrieden ist, gibt es einige Punkte, die die wahrgenommene Lebensqualität verbessern könnten. Dabei nennen Befragte einen verbesserten Zugang zu gesunden und zugleich bezahlbaren Lebensmitteln, sowie zu klimafreundlichem und bezahlbarem Wohnraum als sehr oder eher wichtig. Ähnlich wichtig ist Befragten eine verbesserte Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr, sowie eine Verbesserung der Trinkwasserqualität.
Stärkere soziale Nachhaltigkeit als Voraussetzung für Umweltgerechtigkeit
Schaut man jedoch genauer auf die soziodemografischen Merkmale der Befragten, fällt auf, dass nicht alle Menschen in Deutschland gleich zufrieden sind oder von den vergleichsweise guten Lebensbedingungen in Deutschland profitieren. Gerade Menschen mit niedrigem Einkommen und Bildungsniveau nehmen die negativen Auswirkungen von Umweltbelastungen stärker wahr und schätzen die Umweltqualität in ihrem direkten Umfeld – gerade auch in Bezug auf ihre Gesundheit – schlechter ein.
Dies deckt sich mit der Beobachtung, dass sich die Wohnlage von Menschen nach Einkommensgrad unterscheidet: Menschen mit niedrigem Einkommen wohnen häufiger an vielbefahrenen Straßen, sind stärkerem Lärm und Luftschadstoffen ausgesetzt und haben insgesamt weniger Grünflächenzugang.
Die Autor*innen der Studie empfehlen daher, Umwelt- und Klimapolitik stärker an den vielfältigen Lebensrealitäten und sozialen Bedingungen der Menschen in Deutschland auszurichten – insbesondere mit Blick auf benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Zugleich sei es entscheidend, deutlich zu machen, dass Umwelt- und Klimaschutz nicht nur ökologische Ziele verfolgt, sondern auch einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung des Wohlstands und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten kann.
Die vollständigen Diagramme, Zeitreihen und Analysen zu den Ergebnissen erscheinen im Herbst 2025.
Die Kurzfassung und erste tabellarische Übersichten sind bereits hier kostenfrei erhältlich.