10 Must Knows 2024: 64 Expert*innen veröffentlichen Biodiversitätsbericht
64 Expert*innen haben ihr Wissen und ihre Empfehlungen zum Umgang mit der Biodiversitätskrise gebündelt und in Form von „10 Must Knows aus der Biodiversitätsforschung“ für 2024 veröffentlicht. Wir fassen die zentralen Forderungen an Politik und Gesellschaft zusammen.
Die Biodiversitätskrise, der rasante Verlust der Artenvielfalt, wird häufig als die „kleine Schwester der Klimakrise“ bezeichnet. Dabei ist sie ebenso akut – und wird inzwischen von zahlreichen Expert*innen als noch entscheidender für das Überleben der Menschheit auf unserem Planeten bewertet.
Aktuell findet auf Bundesebene die Weiterentwicklung der nationalen Biodiversitätsstrategie (NBS) statt. Diese soll die Beschlüsse der Weltnaturkonferenz aus Dezember 2022, die ihren globalen Rahmen in der Verabschiedung des „Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework“ (GBF) fanden, national umsetzen. Die finale Verabschiedung der Fortentwicklung der NBS ist noch vor der nächsten Weltnaturkonferenz im Herbst 2024 geplant.
Faktenbasierter Input für die nationale Biodiversitätsstrategie
Hier knüpft der nun veröffentlichte Bericht des Leibniz-Forschungsnetzwerkes Biodiversität an: Die Zusammenfassung der aktuellen wissenschaftlichen Evidenz zur Biodiversität soll einen faktenbasierten Beitrag zur Debatte rund um die nationale Biodiversitätsstrategie liefern. Hierbei zeigen die „Must Knows 2024“ konkrete Wege für politische Entscheidungsträger*innen und Gesellschaft auf, wie die biologische Vielfalt auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene wirksam erhalten und nachhaltig genutzt werden kann – und wie sich dadurch zugleich das Klima schützen lässt.
Die aktuelle Veröffentlichung baut auf dem erstmals 2022 herausgegebenen Bericht der „Must Knows“ mithilfe aktueller wissenschaftlicher Literatur auf und ergänzt diese um Aspekte wie u.a. Empfehlungen für die Politik und Handlungsoptionen für die Gesellschaft.
Das sind die 10 Must Knows aus der Biodiversitätsforschung
Der komplette Bericht findet sich hier. Wir fassen die wichtigsten Empfehlungen der 10 Must Knows 2024 zusammen:
1. Klima- und Biodiversitätsschutz gemeinsam verwirklichen
- Festlegung von Gebieten und Ökosystemen (insb. Seegraswiesen, Feuchtgebieten und Wäldern) zur Schaffung von Biodiversität-Hotspots und Kohlenstoffsenken
- Wiedervernässung von Mooren
- Verbindliche und beständig überwachte Regelungen zu Meeresschutzgebieten
- Erarbeitung von Lösungen mit allen gesellschaftlichen Akteuren, Schaffung von Problembewusstsein
2. Ein gesundes Leben auf einem gesunden Planeten ermöglichen
- Sektorübergreifende Verknüpfung von Biodiversitätsschutz und Gesundheitspolitik
- Vorrangige Behandlung der Möglichkeiten zur Umsetzung eines One-Health-Konzeptes in Forschung, Politik und Praxis
- Unterstützung von Gemeinden bei lokalen Initiativen zum Schutz und Management von Biodiversität und Ökosystemen zur Prävention und Verbesserung gesundheitlicher Probleme
- Förderung fleischloser Ernährung
3. Unentdeckte Artenvielfalt beachten
- Setzung des Fokus politischer Entscheidungen auf ökosystembasiertes Lebensraummanagement anstelle auf einzelne Arten- und Lebensraumpraktiken
- Verbesserung des Monitorings, u.a. durch Einführung landesweit standardisierter Biodiversitätsmonitorings
- Förderung der inter- und transdisziplinären Forschung
- Aufruf an Bürger*innen, sich an Citizen Science-Aktivitäten zu beteiligen
4. Sprachliche, kulturelle und biologische Vielfalt verknüpfen
- Rechtsverbindlicher Schutz von Rechten und Kulturen Indigener Völker
- Förderung der Mehrsprachigkeit als wichtigste Strategie, um Indigene und lokale Sprache zu erhalten
- Schutz indigener Sprachen sowie des in ihnen kodierten Indigenen und lokalen Wissens (ILK) zum Erhalt der Kenntnisse über lokale Ökosysteme und der Umwelt
- Umsetzung von Natur- und Klimaschutzmaßnahmen auf Indigenem Land in einem partizipativen und integrativen Ansatz
5. Vielfältige Nutzung von Waldökosystemen und Biodiversitätsschutz in Einklang bringen
- Kombination verschiedener Bewirtschaftungsintensitäten und -ansätzen zur Bündelung mehrerer Ökosystemleistungen
- Partizipative Entscheidungsfindung über Gestaltung von öffentlichen Wäldern und Anreize zur weiteren Förderung der Biodiversität für private Waldbesitzer*innen
- Erhöhung Akzeptanz und Bewusstsein für vorübergehend baumlose Wälder zur Förderung natürlicher Walddynamik, z.B. durch Infokampagnen
- Unterstützung des Konsums langlebiger Holzprodukte
6. Agrar- und Ernährungssysteme transformieren
- Förderung vielfältiger Landwirtschaft mit biodiversitätsfördernden Maßnahmen zur Steigerung der Resilienz gegenüber globalen Krisen und Herausforderungen
- Umgestaltung des Agrar- und Ernährungssektors durch politische und wirtschaftliche Anreize
- Integration der Biodiversität ins gesamte Ernährungssystem durch gezielte Förderung der Transformation von Agrar- und Ernährungssystemen
- Sozial gerechte Ausgestaltung von Anreizen für Verhaltens- und Handlungsänderungen im Lebensmittelkonsum
7. Land und Ressourcen schützen
- Konsequente Umsetzung der nationalen Biodiversitätsstrategie 2030 und des europäischen Grünen Deals, des angedachten Naturflächengesetzes und weiterer Gesetze(sentwürfe) durch alle relevanten Akteure
- Sicherstellung dauerhafter Mehrheiten für den Schutz biologischer Vielfalt durch die frühzeitige Vermeidung von Zielkonflikten bei Gesetzestextausarbeitungen
- Vorrangige Berücksichtigung des Schutzes der natürlichen Ressourcen in allen Entscheidungsprozessen
8. Transformativen Wandel durch internationale Zusammenarbeit und Bildung für nachhaltige Entwicklung bewirken
- Internationale Kooperationen, einschließlich wissenschaftlicher Zusammenarbeit und Technologietransfer
- Klare Regelungen, um Auswirkungen auf die Biodiversität entlang der Wertschöpfungsketten und bei Investitionen konsequent zu verfolgen
- Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) als Schlüssel für umsetzungsorientierte Zusammenarbeit
9. Freien Zugang und offene Nutzung von biodiversitätsbezogenen Daten sicherstellen
- Gezielte finanzielle Unterstützung, Erweiterung und Ausbau von Institutionen und Strukturen, die biodiversitätsbezogene Daten erheben
- Stärkung und Verteidigung der offenen Verfügbarkeit und freien Nutzung von biodiversitätsbezogenen Daten
- Stärkere Einbindung von Institutionen, die biodiversitätsbezogene Daten erheben, in Diskussionen und BNE
- Stärkere Nutzung biodiversitätsbezogener Daten für alle Vorhaben zur Gestaltung von Landschaft und Lebensraum
10. Auswirkungen des Lebensmittelkonsums auf die Biodiversität verringern
- Verbesserung von Methoden, Indikatoren und Datenqualität zur Erhebung und Verfolgung des Biodiversität-Fußabdrucks für Produkte
- Schnellstmögliche Erfassung des Biodiversität-Fußabdrucks für Lebensmittelkonsum und Umsetzung in konkrete Aktionspläne
- Finanzielle Anreize für nachhaltigeren und gesünderen Lebensmittelkonsum und sozial verträgliche Umverteilung der zusätzlichen Steuereinnahmen
- Verbesserung der Biodiversitätskompetenz von Bürger*innen
- Erleichterung der Ernährungsumstellung
Der Bericht in voller Länge ist hier abrufbar.