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Fachtagung zur NRW-Nachhaltigkeitsstrategie: Konkrete Werkzeuge für die Transformation im Diskurs

Fotos: Martin Magunia / RENN.west

 

Konstruktive Diskussionen rund um die Weiterentwicklung der NRW-Nachhaltigkeitsstrategie wurden im Rahmen einer Fachtagung von RENN.west und LAG 21 NRW geführt. Die wichtigsten Punkte des Tages fassen wir hier zusammen.

Die Umsetzung der Agenda 2030 und ihrer 17 Nachhaltigkeitsziele hinkt – und braucht jetzt mehr Tempo. Während die Vereinten Nationen dafür aktuell einen „Pact for the Future“ entwerfen, der vor allem Governance-Strukturen entsprechend für Nachhaltigkeit ausrichten soll, wird auch auf Landesebene in NRW an Schritten für die beschleunigte Umsetzung gearbeitet. Dabei steht die Weiterentwicklung der NRW-Nachhaltigkeitsstrategie im Fokus. Welche Schritte hierbei zentral sind, war Gegenstand der Fachtagung „Ein zukunftsfähiges NRW greifbar machen! Die NRW-Nachhaltigkeitsstrategie für einen sozial-ökologischen Wandel ausrichten“ von RENN.west und LAG 21 NRW, die am 22. März im Horion-Haus des LVR in Köln stattfand.

Im Fokus standen die zehn Forderungen des zivilgesellschaftlichen Fachforum Nachhaltigkeit NRW, die auf strukturelle sowie Governance-Aspekte der Strategie abzielen. (Lesen Sie das ganze Dokument hier).

Die Entwicklung der SDGs im Blick

Eine Einordnung des aktuellen Entwicklungsstand der 17 SDGs gab zum Auftakt der Veranstaltung Dr. Axel Berger, Stellvertretender Direktor des German Institute of Development and Sustainability (IDOS) und Geschäftsführender Direktor Sustainable Development Solutions Network (SDSN) Germany. Berger bezeichnete die Halbzeit der Agenda 2030 als ernüchternd und geprägt von Stagnation und teilweise sogar Rückschritten. In Deutschland hinke man insbesondere bei SDG 12 (Nachhaltige Produktion) und SDG 13 (Klimaschutz) hinterher. „Wir müssen nun auf allen Ebenen Prioritäten setzen, was wir für Nachhaltigkeit angehen wollen. Dabei sollten wir auf Synergiepotenziale achten."

Als einen Grund für die stockenden Fortschritte nannte Berger die aktuell multiplen und parallelen Krisen – von der Pandemie über den Angriffskrieg auf die Ukraine bis zu einer globalen Vertrauenskrise in die Politik. Seine realistische Einschätzung bis 2030: „Wir werden nicht alle SDGs erreichen – wir müssen aber trotzdem alles Mögliche tun, um Fortschritte auf allen Ebenen zu erzielen.“ Außerdem müsse man jetzt nicht nur über Beschleunigung reden, sondern auch darüber, wie das Tempo gehalten werden könne. Hier setze auch der "Pact for the Future" der UN an.

Beteiligung als wichtiger Wert für den Wandel

Dr. Axel Berger

Folgend wurde der Blick zurück auf die Landesebene gelenkt, um drei wichtige Aspekte für die Fortschreibung der NRW-Nachhaltigkeitsstrategie zu beleuchten. So ging es zuerst um die Partizipation von Jugend und Senior*innen in multilateralen Prozessen. Klar wurde: Beide Gruppen profitieren trotz unterschiedlicher Beteiligung und Bedürfnisse von Austausch und Zusammenschluss.

Aylin Lehnert, Referentin Bildung für nachhaltige Entwicklung bei Germanwatch, unterstrich zudem den Stellenwert von echter Partizipation für die junge Generation: „Junge Menschen müssen ein Verständnis von lebendiger Demokratie erstmal erleben. Sie müssen ihre Rolle in der Demokratie erfahren können.“ Dafür sei es wichtig, dass Politik zeige, dass Jugendbeteiligung nicht nur als Trend bedient würde, sondern weil es ein Wert ist.

Ingrid Dormann, stellvertretende Vorsitzende der Landesseniorenvertretung NRW, sprach sich für das Zusammenschließen der Generationen und für Diskussionen aus, die miteinander und zielorientiert geführt werden. „Es gibt nicht die Zukunft der jungen Menschen oder die Zukunft der alten Menschen – sondern nur unsere Zukunft!“

Hoher Anspruch an Instrumente der Governance

Von links: Ingrid Dormann, Moderatorin Vivien Leue und Aylin Lehnert

Über gestärkte Ordnungsrahmen durch verbindlichere Governance diskutierten anschließend Dr. Marc-Oliver Pahl, Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung, und Monika Dülge, Geschäftsführerin des Eine Welt Netz NRW. Einigkeit herrschte darüber, dass Nachhaltigkeit stärker in alle politischen Prozesse integriert werden müsse und klare Verantwortlichkeiten brauche.

„Nachhaltigkeit muss ein Querschnittsthema sein und ist eine Aufgabe, die jede und jeder Abgeordnete in jedem Ausschuss einbringen muss“, verdeutlichte Dr. Marc-Oliver Pahl. Dabei rückte er die Synergien zwischen Zielen in den Blick: „Es gibt nicht nur Zielkonflikte, sondern auch Win-Win-Situationen!“

Monika Dülge forderte dazu eine Auslegung der Agenda 2030, die ihre Ziele genauso verbindlich wie die internationalen Klimaziele mache. Dazu brauche es verbindliche Instrumente der Governance – diskutiert wurden etwa ein Verfassungsziel Nachhaltigkeit oder ein parlamentarischer Beirat für Nachhaltige Entwicklung in NRW. Letzterer solle das Thema Nachhaltigkeit immer wieder sichtbar machen, bestenfalls schon am Anfang von Entscheidungsprozessen. Dülge konkretisierte dabei den Anspruch: „Die planetaren Grenzen sind unverrückbar – unser Handeln ist da flexibler.“

Nachhaltige Haushalte durch sinnvolle Prioritäten

Monika Dülge und Dr. Marc-Oliver Pahl

Mit dem Nachhaltigkeitshaushalt stand anschließend ein weiteres konkretes Instrument für verbindlichere Governance zur Debatte. Dazu sprach Dr. Klaus Reuter, geschäftsführender Vorstand der LAG 21 NRW und Konsortialführer von RENN.west, mit dem Sprecher für Haushalts- und Finanzpolitik der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtag NRW, Simon Rock.

Dr. Reuter stellte zu Anfang klar, dass öffentliche Haushalte sich in einer absoluten Stresssituation befinden würden. „In einer Zeit, in der wir die Schuldenbremse nicht lösen und Steuern nicht erhöhen wollen, kann Transformation nur dann gelingen, wenn wir im Haushalt Prioritäten setzen!“ Ein Nachhaltigkeitshaushalt, in dem die Ziele einer Nachhaltigkeitsstrategie mit dem Haushalt verknüpft werden und so die benötigte finanzielle Ausstattung erhalten, sei ein guter Weg dafür.

Simon Rock mahnte an, dass beim Thema Priorisierung schnell Einigkeit herrsche, was wichtig sei. Was aber verzichtbar sei, darüber fände man nur schwer einen Konsens. Als konkrete Handlung der Landesregierung nannte er die Einführung eines Klimatrackings und die Sichtbarmachung, welche Ausgaben auf welches SDG einzahlen. Dieses sei politisch konsensual, aber administrativ noch herausfordernd.

Zudem brachte Dr. Reuter die Idee eines Bonus-Systems ins Gespräch: „Warum sollen Kommunen, die sich engagieren und Nachhaltigkeit umsetzen, nicht einen Bonus bekommen?“ Simon Rock zeigte sich angetan von dieser Idee: „Kommunen, die sich auf den Weg gemacht haben und sich dies auch zertifizieren lassen, könnten eine Erleichterung beim Schuldenabbau bekommen – das finde ich spannend.“

Einordnung der Forderungen des Fachforum Nachhaltigkeit NRW

Dr. Klaus Reuter und Simon Rock, MdL

Zum Abschluss der Fachtagung ordnete Dr. Dorothea Schostok, Referatsleiterin im Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, alle zehn Forderungen des Fachforum Nachhaltigkeit NRW nochmal ein. Besonders wichtig war ihr, darzulegen, dass die Notwendigkeit erhöhter Ambitionen für Nachhaltige Entwicklung in der Landesregierung angekommen sei. Deshalb würden aktuell die Indikatoren der NRW-Nachhaltigkeitsstrategie wissenschaftlich aufgearbeitet. Zudem gelte der Anspruch, die Strategie zugänglicher und niedrigschwelliger zu machen. „Wir erproben experimentelle Formate, wie Nachhaltigkeit besser kommuniziert werden kann, als über 100 Seiten Papier.“

Weitere Punkte waren u.a. die Prüfung der Einführung von Nachhaltigkeitsbeauftragten, die Überarbeitung der Nachhaltigkeitsprüfung für Gesetze und Verordnungen für mehr Schlagkraft und die Auslotung einer solchen Prüfung für alle Kabinettsvorlagen. Als Hürde für einen Nachhaltigkeitshaushalt auf Landesebene nannte Dr. Schostok die Kameralistik. Im Zielsystem sieht sie eine deutliche Erhöhung der quantifizierten und terminierten Ziele, während bei der Analyse von Zielkonflikten und Synergien noch tiefergreifende wissenschaftliche Grundlagenforschung nötig sei. Gleiches gelte für die Quantifizierung von Spillover-Effekten, die aktuell noch sehr schwierig zu erfassen seien. Für die gesteigerte Öffentlichkeitsarbeit sprach Frau Schostok eine Einladung zur diesjährigen NRW-Nachhaltigkeitstagung aus, die am 7. Oktober in Wuppertal stattfinden wird (Infos hier).

Keine Schockstarre trotz Schneckentempo

Dr. Dorothea Schostok

Die lebhaften Diskussionen der Tagung, die auch durch rege Beteiligung aus dem Publikum angetrieben wurden, zeigten, dass inzwischen die konkreten Ansatzpunkte, um eine sozial-ökologische Transformation umzusetzen, viel deutlicher bewusst sind. Dies bekräftigte auch Dr. Klaus Reuter: „Das Niveau der Debatte hat sich wesentlich verändert. Das Verständnis, dass wir schneller werden müssen, ist da – das war nicht immer so. Und auf allen föderalen Ebenen, in der Zivilgesellschaft, aber auch im Alltag sind viele Menschen in Verantwortung gekommen, die mit den Herausforderungen und Themen einer Nachhaltigen Entwicklung viel mehr anfangen können.“ Aber es gelte weiter zu beachten: „Transformation ist noch immer eine Schnecke. Da darf man nicht in Schockstarre verfallen, sondern muss weiter antreiben und gestalten!“

Wie die Ausgestaltung der NRW-Nachhaltigkeitsstrategie sich entwickelt, behalten wir im Blick. Über nächste Schritte informieren wir Sie auf unseren Kanälen – bleiben Sie mit uns am Thema!

 

Weiterlesen

 

Die zehn Forderungen des Fachforum Nachhaltigkeit NRW zur Weiterentwicklung der NRW-Nachhaltigkeitsstrategie: Link

Überreichung der Forderungen an NRW-Umwelt- und Verkehrsminister Oliver Krischer: Link

Dialog zu den Forderungen mit Vertreter*innen von drei NRW-Landtagsfraktionen: Link

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